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Wissensnetzwerk zur Alzheimerprävention Neues Big-Data-Projekt sucht Ursachen für Demenz

Autor / Redakteur: Michael Krapp* / Christian Lüttmann |

Vergessen, wer wir sind. Unsere Familie und engsten Freunde nicht mehr erkennen. Das sind die schweren Symptome einer fortgeschrittenen Alzheimererkrankung. Obwohl die Krankheit schon vor über hundert Jahren das erste Mal von Alois Alzheimer beschrieben wurde, gibt es bis heute keinen Wirkstoff gegen diese neurodegenerative Erkrankung. Um die Ursachen für die schweren Schädigungen des Gehirns wirklich zu verstehen, läuft nun ein neues Projekt. Mit einem Big-Data-Ansatz sollen dabei die Krankheitsmechanismen aufgedeckt und Präventionsmaßnahmen entwickelt werden.

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Halbautomatisch erzeugte biochemische Netzwerke helfen dabei, Zusammenhänge darzustellen und zu erkennen.
Halbautomatisch erzeugte biochemische Netzwerke helfen dabei, Zusammenhänge darzustellen und zu erkennen.
(Bild: Fraunhofer SCAI)

Sankt Augustin – Immer mehr Menschen leiden in der älter werdenden Gesellschaft an einer Demenz. Weltweit sind etwa 46 Millionen betroffen, Schätzungen zufolge wird diese Zahl bis 2050 auf rund 131 Millionen steigen. Zu den häufigsten Erkrankungsformen zählen Alzheimer und Parkinson, beide Erkrankungen sind noch immer unheilbar. Verfügbare Medikamente lindern bestenfalls die Symptome – den Verfall des Gehirns stoppen sie nicht. Für die Pharmaindustrie sind neurodegenerative Erkrankungen ein hoch relevantes, aber zugleich riskantes Forschungsgebiet. Bislang wurden viele Milliarden von Euro in die Forschung gesteckt. Die Bemühungen, ein wirksames Medikament gegen den Erinnerungsverlust zu entwickeln, blieben jedoch ohne Erfolg. Vielversprechende Substanzen fielen regelmäßig in den finalen klinischen Studien (Phase III) durch.

Krankheitsmechanismen als Datenbasis

Doch warum sind die Ursachen der Erkrankung noch immer nicht bekannt? „Bisher wird symptombasiert geforscht und klassifiziert. Das Klassifikationssystem der Medizin, auf dessen Basis auch heute noch diagnostiziert wird, geht auf die Mitte des 19. Jahrhundert zurück. Neue Erkenntnisse – etwa aus der Molekularbiologie – werden nicht entsprechend berücksichtigt“, sagt Prof. Dr. Martin Hofmann-Apitius, Leiter der Abteilung Bioinformatik am Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen (SCAI).

Mit dem EU-Projekt Aetionomy, unter Beteiligung des Fraunhofer SCAI, soll eine Kehrtwende eingeleitet werden: Die Klassifikation von neurodegenerativen Erkrankungen soll auf Basis von Krankheitsmechanismen und nicht mehr auf Basis von klinischen Symptomen erfolgen. Das Ziel ist daher, die molekularen Krankheitsmechanismen systematisch zu erfassen und Gruppen von Patienten zu identifizieren, bei denen diese Krankheitsmechanismen aktiv sind. Für diese Patientengruppen will man spezifische Therapieansätze vorschlagen.

Vielzahl an Auslösern und Mechanismen

Die Herausforderung bei dem Ansatz des Projekts ist: Man will die molekularen Ursachen von Alzheimer verstehen, ohne zum Zeitpunkt der Krankheitsentstehung zurückgehen zu können. Denn bei neurodegenerativen Erkrankungen können die fehlgesteuerten Vorgänge, die zur Erkrankung führen, weit in der Vergangenheit liegen. Zum Teil setzen sie bereits 20 bis 30 Jahre vor dem Auftreten klinischer Symptome den fatalen Prozess in Gang, der schließlich zur Demenz führt.

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