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Bioabbaubare Folie für Landwirtschaft Neues Plastik ist verdaulich für Mikroben

Autor / Redakteur: Peter Rüegg* / Christian Lüttmann |

Weiße Mulchfolien liegen wie Leichentücher auf Äckern. Sie sollen Unkraut fern halten und die Erträge erhöhen, können aber auch der Umwelt schaden. Denn Plastikreste gelangen unweigerlich in den Boden. Forscher der ETH Zürich haben nun eine Folie getestet, die umweltverträglich sein soll – weil Bodenmikroben sie einfach auffressen können.

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Dünne Mulch-Folien aus Polyethylen werden in vielen Ländern im Ackerbau eingesetzt und verschmutzen dort Böden massiv (Symbolbild).
Dünne Mulch-Folien aus Polyethylen werden in vielen Ländern im Ackerbau eingesetzt und verschmutzen dort Böden massiv (Symbolbild).
(Bild: Marco Verch / CC BY 2.0 / BY 2.0)

Zürich/Schweiz – Unsere Welt ertrinkt in einer Plastikflut. Acht Millionen Tonnen Plastik landen jedes Jahr in den Weltmeeren. Auch landwirtschaftlich genutzte Böden bleiben nicht verschont. Im großen Stil decken Bauern weltweit Böden mit Mulch-Folien aus Polyethylen ab, um Unkräuter einzudämmen, die Bodentemperatur zu erhöhen und den Boden feucht zu halten. Auf diese Weise steigern sie den Ertrag von Nutzpflanzen.

Nach der Ernte können die Landwirte diese Folien jedoch oft nicht komplett einsammeln, insbesondere dann, wenn sie nur wenige Mikrometer dünn sind. Somit gelangen Polyethylenfolien-Rückstände in den Boden und reichern sich an, da sie dort nicht abgebaut werden. Die Folienreste senken allerdings die Bodenfruchtbarkeit, stören den Wasserhaushalt und schränken das Wachstum von Nutzpflanzen ein.

Mulchfolien als Mikrobennahrung

Forscher der ETH Zürich zeigen nun in einer interdisziplinären Studie auf, dass es durchaus Anlass zu Hoffnung gibt. Sie wiesen nach, dass Bodenmikroben alternative Folien aus dem Kunststoff Polybutylenadipat-terephthalat, kurz PBAT, abbauen können.

PBAT dient den Mikroben sozusagen als Nahrung. So konnte der ehemalige ETH-Doktorand Dr. Michael Zumstein unter der Leitung von Dr. Michael Sander, Prof. Dr. Kristopher McNeill und Dr. Hans-Peter Kohler nachweisen, dass die Mikroorganismen den Kohlenstoff des Polymers sowohl für ihren Energiestoffwechsel als auch für den Aufbau ihrer Biomasse nutzen.

„Diese Arbeit zeigt zum ersten Mal direkt auf, dass Bodenmikroorganismen PBAT-Folien im Boden mineralisieren und Kohlenstoff aus dem Polymer in ihre Biomasse überführen“, sagt Sander, Senior Scientist im Bereich Organische Umweltchemie am Departement Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich.

PBAT ist wie Polyethylen ein erdölbasiertes Polymer. Da ersteres im Kompost als biologisch abbaubar gilt, haben die ETH-Forscher den Bioabbau dieses Kunststofftyps nun auch in Böden untersucht. Polyethylen ist hingegen weder im Kompost noch im Boden abbaubar.

Markierter Kohlenstoff zeigt Weg des Polymerabbaus auf

In ihren Versuchen verwendeten die Forscher speziell für diesen Zweck hergestelltes PBAT-Material, bei dessen Produktion eine bestimmte Menge an Monomeren verwendet wurde, die mit dem etwas schwereren, stabilen Kohlenstoffisotop 13C markiert waren. Dieses Isotop diente den Wissenschaftlern dazu, den Weg des Polymerkohlenstoffs während des biologischen Abbaus im Boden nachzuverfolgen.

Bauen die Bodenmikroben das PBAT ab, setzen sie zwangsläufig auch den 13C-Kohlenstoff frei. Mit geeigneten Messinstrumenten lässt sich dieser schließlich sowohl in Stoffwechselprodukten wie Kohlendioxid aus der Zellatmung der Mikroben als auch in Zellstrukturen, welche die Organismen erzeugt haben, nachweisen.

Plastik nachweislich zu Biomasse umgesetzt

„Das Elegante an dieser Studie ist, dass wir stabile Kohlenstoffisotope genutzt haben, um den Verbleib des Kohlenstoffs aus dem Polymer präzise im Boden nachverfolgen zu können“, sagt Erstautor Zumstein.

Auf diese Weise ist es den Forschenden zum ersten Mal gelungen, einen wissenschaftlich stringenten Beweis zu führen, dass ein Kunststoff im Boden effektiv biologisch abgebaut werden kann. Denn nicht alle Materialien, die in der Vergangenheit als „biologisch abbaubar“ bezeichnet wurden, sind es tatsächlich. „Unter biologischem Abbau verstehen wir, dass die Mikroben allen Kohlenstoff aus den Polymer-Ketten für die Energiegewinnung und zum Aufbau neuer Biomasse nutzen – so wie wir es für PBAT zeigen konnten“, sagt Umweltmikrobiologe Kohler von der Eawag, dem Wasserforschungsbereich der ETH.

LP-Dossier Mikroplastik In unserem Dossier „Mikroplastik“ haben wir für Sie weitere Forschungsvorhaben und -erkenntnisse zum Thema Mikroplastik zusammengefasst.

Biologisch abbaubare Kunststoffe unterscheiden sich fundamental von solchen, die in der Umwelt, zum Beispiel nach Sonnenbestrahlung, in kleine Plastikpartikel zerfallen, nicht aber mineralisiert werden. „Viele Plastikmaterialien zerbröseln nur, und Bruchstücke verbleiben als Mikroplastik in der Umwelt, auch wenn wir sie mit bloßem Auge nicht mehr sehen“, betont Kohler.

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