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Wirkstoffforschung Polyketide: Einblick in die molekulare Fertigungsstraße

Redakteur: Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Polyketide bilden eine der größten Naturstoffklassen; viele von ihnen wurden bei der Suche nach neuen biologischen Wirkstoffen gefunden und aus Mikroorganismen oder Pflanzen isoliert. Ein Team um HZI-Forscher hat jetzt die atomare Struktur dieser wichtigen Wirkstoffproduzenten entschlüsselt.

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Das funktionelle CinF ist aus vier CinF-Molekülen aufgebaut, die sich gegenseitig bei der Bindung des Substrates unterstützen. (Bild: Helmholtz HZI)
Das funktionelle CinF ist aus vier CinF-Molekülen aufgebaut, die sich gegenseitig bei der Bindung des Substrates unterstützen. (Bild: Helmholtz HZI)

Braunschweig – Von tödlichen Giften bis zu heilenden Antibiotika: Eine Vielzahl von Substanzen, die sich in Pflanzen, Pilzen, Bakterien und anderen Organismen finden, gehören zur Klasse der Polyketide. Wie stellt die Natur dieses erstaunlich breite Spektrum von Polyketiden her? Forscher des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI), des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und der Universität des Saarlandes in Saarbrücken sind dem Verständnis dieses Prozesses jetzt einen entscheidenden Schritt näher gekommen: Sie entschlüsselten Struktur und Arbeitsweise eines Enzyms, das einen wichtigen Baustein liefert und ihn für seinen Einbau in das schrittweise wachsende Polyketid-Molekül vorbereitet. Dabei klärten sie erstmals auf, wie dieses Enzym den spezifischen Baustein erkennt, ihn bindet und für seinen Einsatz aktiviert. Für die Zukunft erhoffen sich die Forscher, die Polyketid-Synthese in der Zelle „umprogrammieren“ zu können – und so zu neuen Substanzen mit medizinischer Wirkung zu gelangen.

Polyketide als Antibiotika, Krebsmedikament oder Antiparasiten-Mittel

Die Polyketide bilden eine der größten Naturstoffklassen; viele von ihnen wurden bei der Suche nach neuen biologischen Wirkstoffen gefunden und aus Mikroorganismen oder Pflanzen isoliert. Ihre Funktionen sind äußerst vielfältig: Sie dienen als Signalmoleküle, als Farbstoffe und als Verteidigungswaffen gegen Fressfeinde oder Konkurrenten. Das Antibiotikum Erythromycin, die Krebsmedikamente Doxorubicin und Epothilon sowie das Antiparasiten-Mittel Avermectin sind prominente Vertreter dieser vielfältigen Stoffklasse.

So unterschiedlich ihre Struktur und biologische Rolle sein mögen: Die Polyketide in verschiedenen Organismen teilen gemeinsame Wege der Herstellung in der produzierenden Zelle.

Polyketid-Synthasen bilden die Polyketide

Spezielle Enzymkomplexe, sogenannte Polyketid-Synthasen, bilden sie in Mikroorganismen schrittweise durch die Verknüpfung einzelner Bausteine. „Der Zusammenbau von Polyketiden ist reine Fließbandarbeit“, erklärt Professor Rolf Müller, Direktor und Abteilungsleiter am HIPS sowie Professor für Pharmazeutische Biotechnologie an der Universität des Saarlandes.

„Man könnte die Polyketid-Synthase mit einer Fertigungsstraße in einer Fabrik vergleichen. Sie erhält ein Bauteil von einer bestimmten Zuliefer-Einheit, das nächste von einer anderen. So wie bei der Produktion eines Autos eine bestimmte maschinelle Einheit nur die Türen bereitstellt, die nächste nur Motorhauben und so weiter. Die Polyketid-Synthase verknüpft dann die Bauteile chemisch miteinander. So entsteht schließlich ein fertiges Polyketid.“

Die Forscher haben sich nun die Zulieferer der einzelnen Bausteine am Beispiel des Bakteriums Streptomyces genauer angesehen. Die Zulieferer sind eine Klasse von Proteinen mit dem komplexen Namen „Crotonyl-CoA-Carboxylase/Reduktase“, kurz CCR. Ihre Aufgabe ist es, die Bausteine für die Synthasen bereit zu stellen. Dabei liefert jede CCR nur einen ganz bestimmten Baustein. „Die Frage war nun: Wie gewährleisten die CCR die erstaunliche Vielfalt von Polyketid-Strukturen?“

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