Säulenelution
Die abfall- und bodenschutzrechtliche Bewertung von Feststoffen hinsichtlich ihrer Schadstofffreisetzung erfolgt in Deutschland hauptsächlich mithilfe von Schüttelversuchen. Säulenelutionstests bieten eine Alternative, da sie variabler und automatisierbar sind.
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Das Aufkommen von Abfall und der Umgang damit ist ein weltweites Problem. In Deutschland fallen jährlich Millionen Tonnen an Abfallmaterialien wie Abfallreststoffe, Recyclingstoffe, Feuchtsedimente oder Bauschutt an. Allein im Jahr 1997 betrug das Aufkommen an Bauschutt, Bodenaushub, Straßenaufbruch und Baustellenabfällen mehr als 230 Millionen Tonnen [1]. Der Abfallverwertung wird in der Zukunft neben der Abfallvermeidung eine immer größere Bedeutung zukommen. Vor der Verwertung von Abfallstoffen ist jedoch zu prüfen, ob daraus mögliche Risiken für die Umwelt resultieren können. Im Bundesbodenschutz-Gesetz [2] ist festgelegt, dass kontaminierte Materialien wie Bauschutt oder Müllverbrennungsaschen vor ihrer Ausbringung auf oder in den Boden im Hinblick auf ihr mögliches Grundwassergefährdungspotenzial untersucht werden müssen. Es ist somit notwendig, vor einer Verwertung der Abfallmaterialien das Freisetzungsverhalten organischer und anorganischer Stoffe zu untersuchen. Ziel dieser Untersuchungen ist es, festzustellen, ob Stoffe unbedenklich sind und somit verwertet werden können oder ob ein Grundwasser gefährdendes Material einer sachgerechten Entsorgung zugeführt werden muss. Gleichzeitig erfolgt ein Schritt hin zum vorsorgenden Grundwasserschutz, der die Folgekosten einer Ausbringung bedenklicher Materialien – wie etwa eine Sanierung – vermeiden hilft.
Säulenelutionsversuche stellen aus wissenschaftlichen und auch aus praktikablen Gründen ein aussagekräftiges und flexibles Verfahren zur Materialcharakterisierung dar. Einige Gründe sprechen dafür, dass sie in Zukunft zur Untersuchung der Stofffreisetzung und des Grundwassergefährdungspotenzials von Feststoffen bevorzugt angewendet werden sollten.
Untersuchungsmethoden
Als weit verbreitete Untersuchungsmethode werden derzeit Schüttelversuche eingesetzt. Sie finden sowohl in bodenschutzrechtlichen Fragen als auch in abfallrechtlichen Belangen Anwendung. Der Einsatz von Säulenelutionsverfahren für anorganische Stoffe ist bislang in Deutschland rechtlich nicht verankert. Eine Vornorm zu einem Säulenelutionsverfahren für organische Schadstoffe lag Ende der 1990er Jahre bereits vor, wurde aber aus unterschiedlichen Gründen zurückgezogen.
Ausgehend von der Bundesbodenschutz-Verordnung wurden im Förderschwerpunkt „Sickerwasserprognose“ des BMBF verschiedene Untersuchungsverfahren zur Bewertung von Feststoffen getestet und verglichen. Bei den Untersuchungen haben sich Säulenelutionsversuche sowohl aus wissenschaftlichen als auch aus praktikablen Gründen als geeignetes Instrument zur Bewertung und Charakterisierung von mineralischen Abfallstoffen herausgestellt [4-6].
Säulenelution: kurz und bündig
Bei der Säulenelution wird eine mit dem zu untersuchenden Material befüllte Säule von einem Lösemittel (in der Regel Wasser) durchströmt. Die Proben (Eluate) werden am Säulenauslauf gesammelt. Es besteht damit die Möglichkeit, die zeitliche Entwicklung der Stofffreisetzung zu bestimmen. Die ablaufenden Freisetzungsprozesse können je nach Häufigkeit der Probennahme aufgelöst werden. Ähnlich wie bei der Chromatographie können die zeitabhängigen Konzentrationsverläufe über der Zeit oder dem Elutionsvolumen aufgetragen werden; in der Praxis ist es aus Gründen der Vergleichbarkeit üblich, das bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erhaltene Elutionsvolumen auf die Materialmasse in der Säule zu beziehen und die Ergebnisse dann über diesem Wasser/Feststoff-Verhältnis (in Liter pro Kilogramm) aufzutragen.
Warum Säulenelution?
Säulenelutionsversuche bilden im Labormaßstab das zeitliche Stofffreisetzungsverhalten aus Abfallmaterialien ab, wie es in (naturnahen) Großlysimetern im Geländemaßstab beobachtet wird [5]. Säulen-elutionsverfahren erlauben daher mit einem vertretbaren Aufwand eine realitätsnähere Abschätzung der Stofffreisetzung anorganischer und organischer Stoffe aus Abfallmaterialien, als dies z.B. mit Schüttelversuchen möglich ist. Insbesondere erlauben Säulenelutionsversuche, die unter natürlichen Bedingungen herrschenden Milieuparameter (Lagerungsdichte, pH-Wert, Redoxpotenzial, Ionenstärke, Gehalt an organischer Substanz oder Fließgeschwindigkeit des Wassers) gezielt und wirklichkeitsnah zu simulieren. Säulenelutionsversuche eignen sich also für den praktischen Vollzug einer Sickerwasserprognose, da mit ihnen der zeitabhängige Verlauf der Stofffreisetzung quantifiziert werden kann.
Die weiteren Vorzüge dieses Verfahrens liegen in seiner einfachen Handhabung und den reproduzierbaren Ergebnissen. Dies ist im Hinblick auf eine Normung von entscheidender Bedeutung. Säulenelutionsverfahren ermöglichen wie Schüttelversuche sowohl die Bewertung von Materialien vor ihrem Einbau als auch eine weitergehende Untersuchung von Materialien, die bereits in den Boden eingebracht worden sind. Tabelle 1 zeigt einen Vergleich zwischen Säulenelutions- und Schüttelversuch, bei dem vor allem Aspekte der praktischen Durchführung berücksichtigt werden. Bislang sind Säulenelutionsversuche im Vergleich zu Schüttelversuchen hinsichtlich ihrer Durchführung als aufwändig und nicht praktikabel angesehen worden. Dem spricht entgegen, dass Säulenelutionsversuche in der Regel keinen zeitaufwändigen Fest/Flüssig-Trennschritt (Filtration) erfordern. Die Probennahme ist automatisierbar. Lediglich das Befüllen der Säulen benötigt mehr Zeit als das Einwiegen des Materials beim Schüttelversuch.
Prinzipiell kann beim Säulenversuch auch nur eine Sammelprobe genommen werden; dann wird bis zu einem definierten Wasser/Feststoffverhältnis eluiert und die gewonnene Eluatprobe untersucht. Somit ist der Säulenversuch nicht nur zur grundlegenden Charakterisierung eines Materials geeignet, sondern kann prinzipiell auch als Übereinstimmungsuntersuchung eingesetzt werden [6].
Beispiel aus der Praxis
Im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunkts „Sickerwasserprognose“ wurden mehrere in der Praxis relevante Abfallmaterialien untersucht; auf Grund der rechtlichen Lage sind in Zukunft vor allem Hausmüllverbrennungsprodukte von besonderem Interesse. In Abbildung 1 ist das Elutionsverhalten einer Hausmüllverbrennungsasche hinsichtlich ihrer Freisetzung von Chrom dargestellt (Messungen mithilfe von optischer Emissionsspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma, ICP-OES). Das untersuchte Material ist ein Referenzmaterial der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), das rund 70 mg/kg Chrom enthält. Es wurden mehrere Säulenversuche mit einem Volumenstrom (entsprechend einer Kontaktzeit zwischen Wasser und Feststoff von 1,5 Stunden) sowie Schüttelversuche nach DIN EN 12457-4 [7] durchgeführt.
Die Ergebnisse zeigen, dass zu Elutionsbeginn im Säulenauslauf Chrom-Konzentrationen von bis zu 600 µg/L erhalten werden; die Konzentrationen nehmen mit zunehmender Elutionsdauer ab. Die Prüfwerte (Konzentrationen) Chrom(gesamt) für den Wirkungspfad Boden-Grundwasser nach der Bundesbodenschutz-Verordnung [8] (Cr(gesamt): 50 µg/L) sowie für sechswertiges Chrom (Cr(VI): 8 µg/L) werden deutlich überschritten. Bei den Schüttelversuchen liegen die Konzentrationen unter dem Prüfwert für Cr(gesamt), aber immer noch deutlich über dem Prüfwert für sechswertiges Chrom.
Trotz des geringen Gesamtgehaltes an Chrom im Feststoff sind die Chrom-Konzentrationen in den Eluaten aus Umweltgesichtspunkten bedeutsam, vor allem, weil das zu Elutionsbeginn freigesetzte Chrom nahezu vollständig als toxisch relevantes Cr(VI) vorliegt. Cr(VI) wurde mithilfe von ionenchromatographischen Untersuchungen (Kopplung von Ionenchromatographie und ICP-OES) und mittels Röntgenabsorptionsspektroskopie (XAS) eindeutig nachgewiesen.
Abbildung 2 zeigt beispielhaft die Chromatogramme einer Eluatprobe (rund 300 µg/L Cr (gesamt) bzw. Cr(VI)) und eines Standards (10 µg/L Cr(VI)). Die Kombination von Säulenversuch und Kopplungsversuchen zur Elementspeziation (Bindungsform) erlaubt schnelle Aussagen über die Schadstofffreisetzung und damit über das Grundwassergefährdungspotenzial von mineralischen Abfallstoffen.
Fazit und Schlussfolgerungen
Der Einsatz von Säulenelutionsversuchen stellt ein flexibles und aussagekräftiges Konzept zur Bewertung von Abfallstoffen dar. Mit dem Verfahren können reproduzierbare und realitätsnahe Informationen über die Stofffreisetzung und Bindungsform der Elemente gewonnen werden. Die zu Elutionsbeginn auftretenden Konzentrationen entsprechen den unter natürlichen Bedingungen zu beobachtenden Werten zu Beginn der Ablagerung; das kurz- und mittelfristige Verhalten von abgelagerten Stoffen kann in Säulenversuchen im Zeitraffer reproduzierbar abgeschätzt werden. In der wassertechnologischen Praxis sind Schnellsäulenversuche im Labormaßstab längst etabliert, etwa um die Entfernbarkeit organischer Stoffe durch Aktivkohle abzuschätzen und die Ergebnisse auf reale Systeme zu übertragen [9].
Ein aktueller Normungsentwurf [7] sieht eine Kontaktzeit zwischen Wasser und Feststoff von etwa fünf Stunden vor. Der zeitliche Aufwand zur Abschätzung der initialen Freisetzung unter natürlichen Bedingungen entspricht also dem der etablierten Schüttelversuche, er ist jedoch mit einem wesentlich größeren Informationsgehalt verbunden. Die Verankerung von Säulenelutionsverfahren in der Normung und Gesetzgebung wäre daher ein sinnvoller und nötiger Beitrag für eine nachhaltigere Abfallwirtschaft sowie für den vorsorgenden Grundwasserschutz.
[1] Umweltbundesamt [Hrsg.] (2002): Umweltdaten Deutschland 2002. Berlin.
[2] Bodenschutz-Gesetz (BBodSchG) vom 17. März 1998. BGBl. I S. S. 502.
[3] Delay, M., Schmitt, D., Frimmel, F. H. (2003): Wassergesättigte Säulenversuche zur Bestimmung der Quellstärke anorganischer Schadstoffe aus Lockermaterialien. Vom Wasser, 100, 49-60.
[4] Delay, M., Lager, T., Schulz, H. D., Frimmel, F. H. (2007): Comparison of Leaching Tests to Determine and Quantify the Release of Inorganic Contaminants in Demolition Waste. Waste Management, 27, 248-255.
[5] Lager, T., Delay, M., Karius, V., Hamer, K., Frimmel, F. H. und Schulz, H. D. (2006): Determination and Quantification of the Release of Inorganic Contaminants from Municipal Waste Incineration Ash. Acta Hydrochim. Hydrobiol., 34, 73–85.
[6] E DIN 19528 (2007): Elution von Feststoffen. Perkolationsverfahren zur gemeinsamen Untersuchung des Elutionsverhaltens von organischen und anorganischen Stoffen für Materialien mit einer Korngröße bis 32 mm. Grundlegende Charakterisierung mit einem ausführlichen Säulenversuch und Übereinstimmungsuntersuchung mit einem Säulenschnelltest. Entwurf.
[7] DIN EN 12457-4 (2002): Charakterisierung von Abfällen. Auslaugung; Übereinstimmungsuntersuchung für die Auslaugung von körnigen Abfällen und Schlämmen. Teil 4.
[8] Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) vom 12. Juli 1999. BGBl. I S. 1554.
[9] ASTM D 6586-03 (2003): Standard Practice for the Prediction of Contaminant Adsorption on GAC In Aqueous Systems Using Rapid Small-Scale Column Tests.
*Lehrstuhl für Wasserchemie, Engler-Bunte-Institut, Universität Karlsruhe (TH)
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