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Implantierbare Sensoren für die Medizin Sticht der Arzt uns bald Gold-Tattoos?

Redakteur: Christian Lüttmann

Ein unsichtbares Tattoo aus Goldnanopartikeln könnte Ärzten bald als medizinischer Sensor dienen. Die modifizierten Goldteilchen zeigen beispielsweise Antibiotika im Blut durch einen Farbwechsel im Infrarotbereich an. Anders als bisherige Sensoren, halten die neuentwickelten Implantate deutlich länger.

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Goldnanopartikel in einem porösen Hydrogel werden als medizinische Sensoren unter die Haut implantiert. Sie wirken wie ein Tattoo, das Konzentrationsänderungen eines Arzneistoffs im Blut durch einen Farbwechsel anzeigt.
Goldnanopartikel in einem porösen Hydrogel werden als medizinische Sensoren unter die Haut implantiert. Sie wirken wie ein Tattoo, das Konzentrationsänderungen eines Arzneistoffs im Blut durch einen Farbwechsel anzeigt.
(Bild: Nanobiotechnologie-Gruppe, Department Chemie)

Mainz – Wenn in einem Science-Fiction-Film das Raumschiff beschädigt wird, blinken sofort diverse Alarmleuchten und der Bordcomputer zeigt den Schadensstatus an. Ein vergleichbares Reporting könnte auch am Menschen selbst stattfinden: Medizinische Sensoren ermöglichen es, Vitalwerte oder Konzentrationen von medizinisch relevanten Stoffen und Medikamenten im Körper zu erfassen und auslesen zu lassen. Solche bereits existierenden Implantate können bisher aber noch nicht dauerhaft im Körper verbleiben, sondern müssen spätestens nach wenigen Tagen oder Wochen ausgetauscht werden. Zum einen erkennt der Körper das Implantat als fremd und stößt es ab. Zum anderen verblasst mit der Zeit die Farbe, die als Indikator für Konzentrationsänderungen eines bestimmten Stoffes dient.

Ein Forscherteam der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat nun einen neuartigen implantierbaren Sensor entwickelt, der mehrere Monate im Körper verwendet werden kann. Grundlage dafür sind farbstabile Goldnanopartikel, die mit Rezeptoren für bestimmte Moleküle versehen werden. Eingebettet in eine Art künstliches Gewebe aus Polymeren wird das Nanogold unter die Haut implantiert, wo es als Reaktion auf Konzentrationsänderungen eines Arzneistoffes die Farbe wechselt.

Ein unsichtbares Tattoo als Gesundheitsanzeige

Die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Carsten Sönnichsen nutzt bereits seit Jahren einzelne Goldnanopartikel als Sensoren zum Nachweis kleinster Proteinmengen in mikroskopischen Flusszellen. Goldnanopartikel wirken wie Antennen für Licht: Sie streuen und absorbieren es und sind deswegen farbig. Auf Änderungen in ihrer Umgebung reagieren sie mit Farbänderungen. Dieses Konzept hat sich das Team um Sönnichsen für die implantierte Sensorik zunutze gemacht.

Damit die winzigen Nanopartikel im Körper nicht einfach wegschwimmen oder von Immunzellen abtransportiert werden, haben die Forscher sie in ein poröses Hydrogel mit gewebeähnlicher Konsistenz eingebettet. Unter die Haut implantiert wachsen kleine Blutgefäße und Zellen in die Poren ein. Das Implantat wird in das Gewebe integriert, eine Fremdkörperabstoßung durch den Organismus verhindert. „Unseren Sensor kann man sich wie ein unsichtbares Tattoo vorstellen, nicht viel größer als ein Cent-Stück und dünner als ein Millimeter“, sagt Projektleiter Sönnichsen. Da die Goldnanopartikel infrarotes Licht abgeben, ist ihre Farbwirkung mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Mit einem speziellen Messgerät lässt sich das Implantat aber nicht-invasiv durch die Haut sichtbar machen.

Lange stabiler Farbeffekt

Die Forscher haben die Farbänderung des Sensors in haarlosen Ratten beobachtet, denen sie verschiedene Dosen eines Antibiotikums verabreicht hatten. Über die Blutbahn werden die Arzneistoffmoleküle zum Implantat transportiert. Dort induzieren sie die Farbänderung, sobald sie von spezifischen Rezeptoren auf der Oberfläche der Goldnanopartikel gebunden werden. Dieser Farbeffekt ist lange Zeit stabil. „Von farbigen Objekten sind wir es gewohnt, dass sie mit der Zeit ausbleichen. Bei Goldnanopartikeln passiert das nicht, sie behalten dauerhaft ihre Farbe“, sagt Dr. Katharina Käfer, Erstautorin der Studie.

Das neue Konzept ist generalisierbar und hat den Forschern zufolge das Potenzial, die Lebensdauer von implantierbaren Sensoren deutlich zu verlängern. In Zukunft könnten mit Goldnanopartikel-basierten Implantaten die Konzentrationen verschiedener Biomarker oder Medikamente im Körper gleichzeitig verfolgt werden. Denkbar ist der Einsatz in der Arzneistoffentwicklung, der medizinischen Forschung oder der personalisierten Medizin, beispielsweise zur Therapie chronischer Erkrankungen.

Originalpublikation: K. Kaefer et al., Implantable Sensors Based on Gold Nanoparticles for Continuous Long-Term Concentration Monitoring in the Body, Nano Letters, 30. März 2021, DOI:10.1021/acs.nanolett.1c00887

(ID:47328664)