Molekulare Spektroskopie Struktur und Dynamik von Makromolekülen in cellula analysieren
Konstanzer Forscher untersuchen mithilfe der molekularen Spektroskopie Makromoleküle direkt in ihrer natürlichen Umgebung, der Zelle. Dabei interessieren sie sich besonders für so genannte intrinsisch ungeordnete Proteine. Sie spielen eine Schlüsselrolle u.a. bei Parkinson und anderen neurodegenerativen Erkrankungen.
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LP: Herr Prof. Drescher, Ihr ERC-Projekt trägt den Namen „Spice“, englisch für Gewürz. Was ist denn besonders „würzig“ an Ihren Arbeiten?
Prof Dr. Malte Drescher: Natürlich ist „Spice“ zunächst einmal das Akronym für Spectroscopy in Cells. Gleichzeitig ist es eine Anspielung auf die in unserem Feld sehr wichtigen Funktionen für spektrale Simulationen in einer Matlab-Umgebung, die Gewürzbezeichnungen wie Pepper, Chili oder Garlic tragen. Und ansonsten glaube ich schon, dass unser Projekt noch einmal Würze sowohl in das Gebiet der molekularen Spektroskopie generell als auch in die Konstanzer Forschungslandschaft Chem Life bringt. Trotzdem: wir werden unsere Gruppe nicht in Anlehnung an die bekannte britische Pop-Band umbenennen.
LP: Warum ist es wichtig, komplexere biologische Strukturen auf molekularer Ebene direkt in der Zelle zu untersuchen?
Prof. Dr. Drescher: Generationen von Wissenschaftlern haben in akribischen Experimenten gezeigt, dass Struktur und Dynamik von Makromolekülen und makromolekularen Komplexen entscheidend von subtilen Änderungen von Parametern wie pH, Salzkonzentration, Interaktionen mit Partnern und so weiter abhängt. Inzwischen, so der Ansatz von Spice, sind wir nicht nur in der Lage, die Frage „Wie sieht es denn dann in der Zelle aus?“ zu stellen, sondern auch Methoden zu entwickeln, um sie zu beantworten. Selbstverständlich gibt es bereits viele experimentelle Methoden in cellula, die vielleicht bekannteste ist die Mikroskopie von fluoreszenzmarkierten Bio-Makromolekülen wie Proteinen zur Lokalisierung und Verfolgung in Zellen. Dazu wird oft beispielsweise ein fluoreszierendes Protein an das Zielprotein fusioniert. Im Gegensatz dazu werden wir kleine Marker verwenden und Spektroskopiemethoden einsetzen, die quantitative Aussagen über Struktur und Dynamik ermöglichen.
LP: Welche Spektroskopie-Techniken werden eingesetzt? Welche
Rolle spielen hierbei Sonden-Moleküle?
Prof. Dr. Drescher: Neben der bereits erwähnten Fluoreszenzmikroskopie gibt es eine ganze Reihe von spektroskopischen Methoden für Molekulare Spektroskopie. Dies sind zum einen Magnetresonanzmethoden wie die NMR- (also Kernspinresonanz-) Spektroskopie oder – und das ist unsere Hauptmethode – die ESR- (also Elektronenspinresonanz-) Spektroskopie. Diese Methoden liefern strukturelle Informationen, zum Beispiel mittels Abstandsmessungen. Schwingungsspektroskopie, zum Beispiel Raman- oder Infrarot-Spektroskopie geben Aufschluss über Moleküldynamik und damit auch über Wechselwirkungen mit Interaktionspartnern, zum Beispiel bei der Membranbindung oder der Aggregation. Optische Mikroskopie und Spektroskopie helfen bei der Aufklärung von zum Beispiel translatorischer Bewegung.
LP: Welche Rolle spielen hierbei Sonden-Moleküle?
Prof. Dr. Drescher: Viele dieser Methoden benötigen per se meistens Sondenmoleküle, zum Beispiel den Spinmarker oder das Fluoreszenzlabel. Manchmal genügt eine Isotopenmarkierung. Sobald intrazelluläre Experimente geplant sind, steigen zum einen die Anforderungen an die Sondenmoleküle in Punkten wie Stabilität oder Toxizität. Andererseits bieten die Sondenmoleküle dann auch die Möglichkeit, in der komplexen Umgebung der Zelle überhaupt noch sinnvoll Spektroskopie zu betreiben. Darüber hinaus benötigt jede Spektroskopiemethode ihr individuelles Sondenmolekül. Eines der Spice-Ziele ist deshalb die Entwicklung von mehrfach adressierbaren Nanostruktursonden, also einem Sondenmolekül, das für mehrere Spektroskopiearten geeignet ist.
LP: Wo liegen die wichtigsten Einsatzgebiete für Ihre Forschung an Makromolekülen?
Prof. Dr. Drescher: Vielen Proteinen wird eine feste, dreidimensionale Struktur zugeordnet. Diese steht oft in Zusammenhang mit ihrer Funktion („form follows function“). Eine wichtige Proteinklasse, nämlich die der intrinsisch ungeordneten Proteine, weist in Lösung keine definierte Struktur auf, sondern ist ungeordnet. Je nach Interaktionspartner können diese Proteine verschiedene Konformationen einnehmen. Deshalb ist eine Strukturbestimmung von intrinsisch ungeordneten Proteinen in vitro nur bedingt sinnvoll. Gleichzeit sind aber intrinsisch ungeordnete Proteine die Schlüsselfiguren in neurodegenerativen Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer. Diese Proteine wollen wir mit unseren neuen Techniken untersuchen.
Herr Prof. Dr. Drescher, vielen Dank für das Gespräch.
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