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Schwarzes Loch in der Milchstraße Unsichtbarer Riese im All ist größer als gedacht

Redakteur: Christian Lüttmann

In unserer galaktischen Nachbarschaft wirbelt das Schwarze Loch Cygnus X-1 in rasender Geschwindigkeit um seinen Begleitstern. Und es ist größer als bisher angenommen. Neuste Untersuchungen unter Beteiligung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zeigen, dass man die Masse des lichtverschlingenden Objektes bisher um 50% unterschätzt hatte.

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Das Schwarze Loch Cygnus X-1 und sein Begleitstern; künstlerische Darstellung
Das Schwarze Loch Cygnus X-1 und sein Begleitstern; künstlerische Darstellung
(Bild: NASA/CXC/M.Weiss)

Erlangen – Wie erforscht man etwas, das alles Licht und damit alle Informationen verschluckt? Schwarze Löcher stellen bis heute eine besondere Herausforderung für Astrophysiker dar. Sie lassen sich nur indirekt durch ihre Gravitationswirkung auf benachbarte Sterne beobachten, oder durch die Art und Weise, wie sie das Licht in ihre Nähe umlenken. All diese Hinweise auf Schwarze Löcher korrekt auszuwerten, erfordert viel Rechenleistung und Geduld.

Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat nun neue Erkenntnisse über das Schwarze Loch Cygnus X-1 gewonnen, das mit seinem Begleitstern inmitten der Milchstraße positioniert ist.

Das Erste Schwarze Loch unserer Heimatgalaxie

Den ersten Hinweis auf die Existenz von Cygnus X-1 gab es bereits 1964: Zwei Geigerzähler an Bord einer suborbitalen Rakete, die von New Mexico aus abgefeuert wurde, registrierten eine starke Röntgenquelle in unserer Milchstraße. Acht Jahre später entdeckte der US-amerikanische Astronom Tom Bolton, dass diese Röntgenquelle um den Stern HDE 226868 kreist, einen so genannten Blauen Riesen. Bolton schloss daraus, dass es sich bei dem unsichtbaren Objekt Cygnus X-1 um ein schwarzes Loch handeln müsse. Diese Annahme wurde durch spätere Beobachtungen bestätigt. „Cygnus X-1 ist das erste Schwarze Loch, das in unserer Milchstraße entdeckt wurde“, sagt Prof. Dr. Jörn Wilms, Astrophysiker der Universitätssternwarte der FAU.

Die tatsächliche Entfernung des Systems von der Erde konnte bislang nur grob geschätzt werden, ebenso wie die Massen des Schwarzen Lochs und seines Begleitsterns. In einem Projekt von Wilms hat ein internationales Team nun genauere Daten zu Cygnus X-1 gesammelt und ausgewertet. Die Forscher nutzten das Very Long Baseline Array, ein Cluster aus zehn in den USA verteilten Radioteleskopen, um eine präzise Paralaxen-Messung vorzunehmen. „Die Messung basiert auf dem Prinzip, dass man die Entfernung eines Objektes bestimmen kann, indem man es von zwei verschiedenen Orten aus betrachtet“, erklärt Wilms. „Die unterschiedlichen Beobachtungspositionen ergeben sich unserem Fall durch die Bewegung der Erde um die Sonne.“

Eine Animation auf dem Videokanal der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zeigt das Cygnus X-1-System und fasst die neuen Erkenntnisse über das Schwarze Loch zusammen. Quelle: International Centre for Radio Astronomy Research.

Weiter weg und größer als gedacht

Über einen Zeitraum von sechs Tagen haben die Wissenschaftler das Cygnus-System beobachtet und dabei über 2000 Messwerte aufgezeichnet. Das Ergebnis: Cygnus X-1 ist deutlich weiter von der Erde entfernt als bislang angenommen – etwa 7200 anstatt der zuvor geschätzten 6100 Lichtjahre. In Astronomischen Dimensionen ist das trotzdem noch sehr nah. Das Zentrum der Milchstraße ist beispielsweise 27.000 Lichtjahre von der Erde entfernt.

Aus den neuen Entfernungsmessungen der Forscher folgt nun auch eine korrigierte Größeneinschätzung von Cygnus. „Wir haben errechnet, dass das Schwarze Loch mehr als 20-mal so massereich wie die Sonne ist. Das ist übertrifft frühere Schätzungen um 50 Prozent“, sagt Wilms.

Das Schwarze Loch Cygnus X-1 und sein Begleitstern – als Größenvergleich ist die Sonne eingefügt; künstlerische Darstellung
Das Schwarze Loch Cygnus X-1 und sein Begleitstern – als Größenvergleich ist die Sonne eingefügt; künstlerische Darstellung
(Bild: International Centre for Radio Astronomy Research)

Diese Erkenntnis wirft zugleich ein neues Licht auf die Entstehung Schwarzer Löcher im Allgemeinen: Bislang ging man davon aus, dass helle Sterne bis zur Supernova-Explosion sehr viel Masse an ihre Umgebung verlieren. „Durch Sternwinde wird Materie von der Oberfläche quasi weggeblasen. Damit ein Schwarzes Loch jedoch so massiv werden kann wie Cygnus X-1, muss dieser Masseverlust deutlich geringer sein als wir dachten“, erklärt der Projektinitiator.

Rotation nahe Lichtgeschwindigkeit

Anhand der aktuellen Messdaten gehen die Forschenden davon aus, dass das Schwarze Loch im Cygnus-X-1-System sein Leben als Stern begann, der ungefähr 60-mal so groß wie die Sonne war und vor Zehntausenden von Jahren kollabiert ist. Trotz seiner gigantischen Größe umkreist es in nur fünfeinhalb Tagen seinen Begleitstern, wobei die Umlaufbahn nur ein Fünftel der Entfernung zwischen Erde und Sonne beträgt. Dabei dreht sich Cygnus X-1 unglaublich schnell – nahe an der Lichtgeschwindigkeit und damit schneller als jedes andere bisher gefundene Schwarze Loch.

Das System aus Stern und Schwarzem Loch sendet bei seinem wilden Tanz extrem starke Röntgenstrahlung aus. Diese entsteht, weil der Begleitstern einen Teil seiner Masse an das Schwarze Loch verliert und dabei eine Scheibe aus Gas bildet, die sich durch Reibung auf mehrere Millionen Grad erhitzt.

Neues Radioteleskop soll Blick ins All schärfen

„Schwarze Löcher zählen nach wie vor zu den bestgehüteten Geheimnissen des Universums“, sagt Wilms. „Mit unserem Projekt haben wir einen weiteren Teil dieses Geheimnisses lüften können.“ Im kommenden Jahr soll der Bau des Square Kilometer Array (SKA) in Australien und Südafrika beginnen, das die Empfindlichkeit des aktuell größten Radioteleskops der Welt nochmals übertrifft und das Universum noch detaillierter abbilden soll. Die Astroforschung verspricht sich davon neue Impulse für das Verständnis exotischer und extremer kosmischer Objekte, die uns bislang verborgen bleiben.

Originalpublikation: James C. A. Miller-Jones1, Arash Bahramian, Jerome A. Orosz, Ilya Mandel, Lijun Gou, Thomas J. Maccarone, Coenraad J. Neijssel, Xueshan Zhao, Janusz Ziółkowski, Mark J. Reid, Phil Uttley, Xueying Zheng, Do-Young Byun, Richard Dodson, Victoria Grinberg, Taehyun Jung, Jeong-Sook Kim, Benito Marcote, Sera Markoff, María J. Rioja, Anthony P. Rushton, David M. Russell, Gregory R. Sivakoff, Alexandra J. Tetarenko, Valeriu Tudose, Joern Wilms: Cygnus X-1 contains a 21–solar mass black hole—Implications for massive star winds, Science, 18 Feb 2021; DOI: 10.1126/science.abb3363

(ID:47151796)