Ansatz für neue Krebstherapie Wehe, wenn sie sauer werden – Nanopartikel gegen Tumore?
In hoher Konzentration können Eisenionen den programmierten Zelltod auslösen. Dies wollen sich Forscher zunutze machen, indem sie Partikel aus Eisen herstellen, die sich gezielt in saurem Milieu auflösen lassen, wie es etwa in der Nähe von Krebstumoren vorherrscht. Das Design solcher Nanopartikel haben nun Wissenschaftler aus München erprobt.
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München – Ionen sind wichtige Signalstoffe für Zellen: Sie aktivieren unter anderem Signalkaskaden, regulieren die Enzymaktivität und den pH-Wert. Eine plötzliche Ionen-Überdosis aber führt oft zum programmierten Zelltod.
Bisher war es schwierig, einen solchen Einfluss bestimmter Ionen auf die Zelle zu untersuchen, weil die Kontrollmechanismen der Zelle eine Manipulation der Ionenkonzentration verhindern. Wissenschaftlern von der Fakultät für Chemie und Pharmazie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) ist es nun mithilfe von Nanopartikeln erstmals gelungen, Eisenionen in der Zelle gezielt so freizusetzen, dass es zu einer plötzlichen Überdosis kommt.
Die Eisen-Überdosis löst eine spezielle Art des Zelltods aus, die vor allem Zellen des Immunsystems betrifft. Dieser Effekt birgt den Forschern zufolge viel Potenzial für die Entwicklung neuer Therapien, da Tumorzellen dadurch abgetötet werden könnten und gleichzeitig eine Immunreaktion gegen den Krebs hervorgerufen würde.
Ein Baugerüst mit Fettfilm
Entscheidend für den Erfolg ist der Aufbau der Nanopartikel: Es handelt sich um metallorganische Gerüstverbindungen, in denen Eisen mit Sauerstoff komplexiert ist. „Letztendlich sind das strukturell gesehen kleine Sechsecke, die über organische Linkermoleküle verbunden sind“, erklärt Studienleiterin Dr. Evelyn Plötz. „Man kann das mit einem Baugerüst vergleichen. Dabei hat das Nanoteilchen relativ große Poren, durch die potenzielle Reaktionspartner eindringen können.“ Außen sind die Nanoteilchen von einer Lipidhülle umgeben, die es ihnen ermöglicht, an die Zellmembran anzudocken und ins Zellinnere einzudringen.
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Krebstherapie
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pH-abhängige Zersetzungsrate
In der Zelle werden die Nanoteilchen an bestimmte Zellorganellen, die Lysosomen, weitergegeben, wo sie sich zersetzen. „Wir konnten nun zeigen, dass die Geschwindigkeit der Zersetzung vom pH-Wert außerhalb der Zelle abhängt“, sagt Ploetz. „Ist der pH-Wert vergleichsweise niedrig, geschieht dies schnell und es kommt zu einer plötzlichen Freisetzung vieler Eisenionen.“ Die Wissenschaftler vermuten, dass Cystein hierbei eine Rolle spielt. Dieses für den Abbau der Nanoteilchen wichtige Molekül könnte bei niedrigen extrazellulären pH-Werten im Überschuss vorliegen.
„Besonders überraschend war für uns, dass die Eisenfreisetzung aus den Nanoteilchen keine Ferroptose induziert, wie man annehmen könnte, sondern eine so genannte Pyroptose“, sagt Ploetz. Bei der Pyroptose werden z.B. Zellen des angeborenen Immunsystems aktiviert und es kommt zu einem stark entzündlichen Prozess, bei dem die betroffene Zelle abstirbt.
Zukunft in der Tumorbekämpfung?
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten die Nanopartikel insbesondere für die Tumortherapie großes Potenzial besitzen. „Das extrazelluläre Milieu von Tumorzellen ist saurer als das anderer Zellen. Möglicherweise könnte man die pH-Abhängigkeit der Eisenfreisetzung daher gezielt einsetzen: Die Nanopartikel könnten den Primärtumor direkt attackieren und die induzierte Pyroptose aktiviert das Immunsystem“, sagt Ploetz. „Aber auch für andere Anwendungen etwa in der Grundlagenforschung bieten die Nanoteilchen aufgrund ihrer Steuerbarkeit durch den pH perfekte Voraussetzungen.“
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Originalpublikation: Evelyn Ploetz, Andreas Zimpel, Valentina Cauda, David Bauer, Don C. Lamb, Christoph Haisch, Stefan Zahler, Angelika M. Vollmar, Stefan Wuttke, Hanna Engelke: Metal–Organic Framework Nanoparticles Induce Pyroptosis in Cells Controlled by the Extracellular pH, Advanced Materials 17 March 2020; DOI: 10.1002/adma.201907267
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