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Wirkstoff gegen allergisches Asthma Wie ein Darmwurm Asthmatikern helfen könnte

Von Lisa Pietrzyk*

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Üblicherweise hält das Immunsystem Eindringlinge aus unserem Körper fern. Doch manchmal wird es gezielt gelähmt – etwa durch die Larven des parasitären Rundwurms H. polygyrus, die sich im Darm einnisten. Forscher haben nun den Wirkstoff entdeckt, mit dem diese Wurmlarven das Immunsystem überlisten. Er könnte bei der Therapie von Immunüberreaktionen wie Allergien oder Asthma helfen.

Entzündungshemmende Makrophagen (bunt), die auf Parasiten-Larven „sitzen“.
Entzündungshemmende Makrophagen (bunt), die auf Parasiten-Larven „sitzen“.
(Bild: J. Esser-von Bieren)

München – Parasiten haben nicht unbedingt einen guten Ruf, nisten sie sich doch ungefragt bei ihrem Wirt ein, wo sie eher nehmen als geben. Dies gilt im Grunde auch für die Larven des Rundwurms Heligmosomoides polygyrus, kurz Hpb. Sie dringen in die Darmschleimhaut von Nagetieren ein – nur dort können sie zu geschlechtsreifen Würmern heranwachsen.

Damit das gelingt, müssen die winzigen Larven jedoch das Immunsystem ihres Wirts überwinden, das sich mit Entzündungsreaktionen, Sekretion von Flüssigkeit und Muskelkontraktionen gegen die Eindringlinge wehrt. „Die Larven des Wurmparasiten hätten gegen diese Abwehrreaktionen normalerweise keine Chance. Doch sie verfügen über Wirkstoffe, mit denen sie die Immunantwort des Wirts gezielt regulieren können“, erklärt Dr. Julia Eßer-von Bieren, Forscherin am Zentrum Allergie und Umwelt (ZAUM) der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München.

Und hier könnte nun der Parasit ungewollt doch etwas geben – nämlich einen neuen Weg, um Allergien oder chronisches Asthma zu behandeln. „Die evolutionär gereiften Wirkstoffe der Wurmlarven wollen wir für die Therapie von chronischen Entzündungskrankheiten nutzbar machen“, sagt Eßer-von Bieren.

Ein Protein schützt die Larven vorm Immunsystem

Zusammen mit ihrem Team hat Eßer-von Bieren jetzt eine Substanz analysiert, mit der die Larven des Rundwurms das Immunsystem ihres Wirts austricksen: Das Protein Hpb-Glutamat-dehydrogenase. Es aktiviert verschiedene immunregulatorische Stoffwechselwege, die dafür sorgen, dass sich in den Immunzellen des Wirtsorganismus entzündungshemmende Botenstoffe bilden. Gleichzeitig wird der Anteil der entzündungsfördernden Botenstoffe reduziert.

„Die Fähigkeit der Hpb-Glutamat Dehydrogenase die Immunantwort abzuschwächen, macht sie zu einem aussichtsreichen Kandidaten für die Therapie von chronischen Atemwegsentzündungen“, betont die Forscherin. Oft sind Atemwegserkrankungen, beispielsweise allergisches Asthma, die Folge einer Überreaktion des Immunsystems: Es kommt zu einer Überproduktion von entzündlichen Botenstoffen, den Leukotrienen. Sie können Asthmaanfälle auslösen. Die aktuell eingesetzten Medikamente wie Kortison wirken allerdings kaum auf diese Botenstoffe.

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Parasiten-Wirkstoff besser als Kortison

Dass sich mit den Larven-Proteinen eine Entzündungsreaktion dämpfen lässt, haben die Forscher an Mausmodellen mit allergischem Asthma gezeigt. Und auch Untersuchungen an menschlichen Zellkulturen lieferten ermutigende Ergebnisse, berichtet Eßer-von Bieren: „Wir haben uns vor allem die Wirkung auf bestimmte menschliche Immunzellen, die Makrophagen, angesehen. Wenn diese dauerhaft aktiviert sind, entstehen chronische Entzündungen. Durch Zugabe von Hpb-Glutamat Dehydrogenase konnten wir die pro-entzündliche Aktivität der Makrophagen deutlich senken. Dabei hat sich gezeigt, dass die Substanz wirkungsvoller ist als Kortison.“

Der Weg bis zum fertigen Medikament, sei jedoch noch lang, betont die Wissenschaftlerin: „Wir sind in der präklinischen Phase und müssen noch viele Fragen beantworten. Beispielsweise wie das Wurmprotein von Zellen in den Atemwegen aufgenommen wird und welche Auswirkungen es insgesamt auf das menschliche Immunsystem hat.“

Originalpublikation: M. de los Reyes Jiménez, A. Lechner, F. Alessandrini, S. Bohnacker, S. Schindela, A. Trompette, P. Haimerl, D. Thomas, F. Henkel, A. Mourão, A. Geerlof, C. Prazeres da Costa, A. M. Chaker, B. Brüne, R. Nüsing, P.-J. Jakobsson, W. A. Nockher, M. J. Feige, M. Haslbeck, C. Ohnmacht, B. J. Marsland, D. Voehringer, N. L. Harris, C. B. Schmidt-Weber, J. Esser-von Bieren: An anti-inflammatory eicosanoid switch mediates the suppression of type-2 inflammation by helminth larval products, Science Translational Medicine, 22 Apr 2020, Vol. 12, Issue 540; DOI: 10.1126/scitranslmed.aay0605

* L. Pietrzyk, Technische Universität München (TUM), 80333 München

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