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Der Ur-Ozean als Brutstätte für Leben

Zuerst Stoffwechsel oder zuerst Enzyme? Fundamentales Henne-Ei-Problem gelöst

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Wer war zuerst da? Stoffwechselprozesse oder Enzyme?

Der damalige Ur-Ozean war also ein geradezu ideales Umfeld für diese sehr alten Stoffwechselreaktionen. Das ist die Lösung des Henne-Ei-Problems: Chemische Stoffwechselwege waren zuerst da, die Enzyme bildeten sich später. Erst kürzlich konnte Keller Ähnliches auch für den „Citratzyklus“ zeigen, einen weiteren wichtigen Stoffwechselprozess der Zelle. Auch deren Einzelreaktionen können ohne die Anwesenheit von Enzymen ablaufen. In Analogie zu modernen Zellen, in denen Glykolyse und der in den Mitochondrien der Zelle angesiedelte Citratzyklus getrennt voneinander in unterschiedlichen Milieus ablaufen, benötigen auch ihre nicht-enzymatischen Ebenbilder verschiedene chemische Umfelder, um effektiv ablaufen zu können. Damit konnte gezeigt werden, dass die ursprünglich für die Glykolyse getätigten Beobachtungen auch für weitere wichtige Stoffwechselwege gültig sind.

Vermeintliche Messungenauigkeiten genauer angesehen

Möglich waren diese Beobachtungen mithilfe von Massenspektrometrie-Methoden, die Keller im Rahmen des Schrödinger-Stipendiums an der Universität Cambridge entwickelt hat. Keller untersuchte ursprünglich, wie sich die Bestandteile von Hefezellen mit Massenspektrometrie analysieren lassen, die neben hoher Genauigkeit einige Vorteile gegenüber anderen Methoden versprach. Hefe ist einer der wichtigsten Modellorganismen der Biologie, es handelte sich um Grundlagenforschung zur Entwicklung von Methoden für andere Forschungen. Die Idee, sich den evolutionären Ursprung des Zellstoffwechsels anzusehen, entstand gemeinsam mit dem Mikrobiologen Markus Ralser, in dessen Gruppe in Cambridge Keller forschte. Man zog Alexandra Turchyn hinzu, eine Expertin für Urozeane, und publizierte gemeinsam die erste Arbeit dazu.

„Dass die Forschungen in diese Richtung gehen, war eigentlich nicht geplant“, sagt Keller. „Die ursprüngliche Arbeit zum Hefestoffwechsel ist mittlerweile ebenfalls auf dem Weg zur Publikation. Es war aber wichtig, dass ich die Freiheit hatte, mir diese Dinge ansehen zu können. Anfangs war das nur eine Nebenbeobachtung.“ Keller betont, dass manche dieser Effekte wahrscheinlich schon in anderen Studien als Nebeneffekte gemessen wurden, allerdings ohne davon in der Literatur im Detail davon zu berichten. „Diese Reaktionen passieren in heutigen Zellen immer noch“, sagt Keller. Er ermutigt die Gruppen, die in diesem Bereich aktiv sind, sich vermeintliche Messungenauigkeiten genauer anzusehen.

Originalpublikationen:

Keller, M. A., D. Kampjut, S. Harrison, and M. Ralser. 2017. Sulfate radicals enable a non-enzymatic Krebs cycle precursor. Nature Ecology and Evolution.

Keller, M. A., A. Zylstra, C. Castro, A. V. Turchyn, J. L. Griffin, and M. Ralser. 2016. Conditional iron and pH-dependent activity of a non-enzymatic glycolysis and pentose phosphate pathway. Science Advances. 2: e1501235.

Keller, M. A., G. Piedrafita, and M. Ralser. 2015. The widespread role of non-enzymatic reactions in cellular metabolism. Current Opinion in Biotechnology. 34: 153–161.

Piedrafita, G.*, M. A. Keller*, and M. Ralser. 2015. The Impact of Non-Enzymatic Reactions and Enzyme Promiscuity on Cellular Metabolism during (Oxidative) Stress Conditions. Biomolecules. 5: 2101–2122.

Keller, M. A., A. V. Turchyn, and M. Ralser. 2014. Non-enzymatic glycolysis and pentose phosphate pathway-like reactions in a plausible Archean ocean. Molecular. Systems. Biology. 10: 725.

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