Therapieansatz für Plattenepithelkarzinome Zuverlässige Strafzettel für Krebsproteine
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Im Körper sorgen biologische Politessen für Ordnung. Sie verteilen sozusagen Strafzettel an nicht benötigte Proteine und leiten so deren Entsorgung ein. Manche Krebszellen setzen dieses System aber außer Kraft. Wie man dort trotzdem erfolgreich Strafzettel verteilt, haben nun Forscher der Universität Würzburg herausgefunden.

Würzburg – Plattenepithelkarzinome sind eine sehr außergewöhnliche Krebsart. Sie treten in vielen Geweben auf – zum Beispiel in Lunge, Speiseröhre, Bauchspeicheldrüse, Hals und Rachenraum sowie auf der Haut. Aufgrund der vielen Mutationen bei dieser Krebsart ist die Behandlung besonders schwierig. Jedoch besitzen alle Plattenepithelkarzinome eine gemeinsame Achillesferse: Sie sind vom Krebsprotein ∆NP63 abhängig. Dabei handelt es sich um ein Protein, das nur in dieser Tumorart vorkommt und essenzielle biologische Abläufe regelt.
Ein internationales Forscherteam unter Federführung der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg hat nun eine Möglichkeit gefunden, das Krebsprotein mithilfe eines anderen Proteins lahmzulegen und damit das Wachstum von Plattenepithelkarzinomen einzudämmen.
Strafzettel für falsch parkende Proteine
Das hilfreiche Protein ist die Deubiquitylase USP28. In den Plattenepithelkarzinomen kommt sie besonders häufig vor und kontrolliert dort die Menge des Krebsproteins ∆NP63. „Die Deubiquitylase gehört zum so genannten Ubiquitin-Proteasom-System, das man sich wie ein Abschleppunternehmen vorstellen kann“, erklärt Dr. Markus Diefenbacher vom Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie I der JMU.
„In gesunden Zellen markiert dieses Abschleppunternehmen falsch parkende Proteine mit einer Art Strafzettel, nämlich dem Protein Ubiquitin. Dann schleppt es die Falschparker ab und entsorgt sie“, verdeutlicht der Forscher. Doch nicht immer läuft das reibungslos ab. „Das Protein USP28 kann den Strafzettel entfernen und damit das Abschleppen verhindern. In den Tumorzellen kommt es oft zum Verlust der Kontrolleure oder zu einem gehäuften Auftreten von USP28. Daher verhält es sich mit ∆NP63 in einer Tumorzelle ähnlich wie mit einem falsch geparkten Auto, bei dem permanent der Strafzettel entfernt wird“, führt Diefenbacher aus.
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Im ganzen Körper
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Indirekter Angriff ohne Nebenwirkung
Die Forscher haben nun die Abhängigkeit der Plattenepithelkarzinome vom Protein USP28 bewiesen: Mit einem Hemmstoff haben sie den Strafzettelentferner von ∆NP63 in den Tumorzellen ausgeschaltet. Darauf stellten die Tumore ihr Wachstum ein.
„Viele Krebsproteine sind so gebaut, dass man mit den momentan verfügbaren Methoden keinen direkten Wirkstoff gegen sie entwickeln kann“, erklärt der Würzburger Forscher. Auch auf das Krebsprotein ΔNP63 sei kein direkter therapeutischer Angriff möglich. Mit dem Ausschalten von USP28 konnte jedoch das Krebsprotein in menschlichen und tierischen Tumorzellen schnell abgebaut und der Tumor bekämpft werden. Bei gesunden Zellen gab es zudem keine Nebenwirkungen. „Wir haben damit eine gute neue Möglichkeit entdeckt, um Plattenepithelkarzinome anzugreifen“, sagt Diefenbacher.
Suche nach weiteren Hemmstoffen
Für einen therapeutischen Einsatz am Menschen ist der selektive Hemmstoff noch nicht geeignet. Er muss noch weiter erforscht werden. „In der Krebstherapie werden schon Hemmstoffe verwendet, die das ganze Ubiquitin-Proteasom-System ausschalten. Unsere Arbeit zeigt jetzt eine Möglichkeit auf, nur einen Bestandteil dieses Systems abzuschalten und damit die Tumorzellen noch gezielter bekämpfen zu können“, erklärt Diefenbacher.
Als nächstes will er mit seinem Team weitere Hemmstoffe suchen, die sich ebenfalls gegen USP28 einsetzen lassen. „Außerdem werden wir im Plattenepithelkarzinom nach weiteren Proteinen suchen, von welchen diese Tumore abhängig sind, und hinterfragen, ob auch hier das Ubiquitin-Proteasom-System ein potenzieller Angriffspunkt für Therapien sein kann“, sagt der JMU-Forscher.
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Originalpublikation: Cristian Prieto-Garcia, Oliver Hartmann, Michaela Reissland, Fabian Braun, Thomas Fischer, Susanne Walz, Christina Schülein-Völk, Ursula Eilers, Carsten P. Ade, Marco A. Calzado, Amir Orian, Hans M. Maric, Christian Münch, Mathias Rosenfeldt, Martin Eilers und Markus E. Diefenbacher, Maintaining protein stability of ∆Np63 via USP28 is required by squamous cancer cells4. März 2020, EMBO Molecular Medicine, DOI: 10.15252/emmm.201911101
* K. Lozina, Julius-Maximilians-Universität, 97070 Würzburg
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