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Mikroströmungen Bakterien im Biofilm wirbeln sich Nährstoffe zu

Autor / Redakteur: Dr. Arne Claussen* / Christian Lüttmann

Mikrobielle Selbstversorger – Bakterien beeinflussen ihre Umgebung stärker als man denkt. In Biofilmen wie Zahnbelag erzeugen sie durch ihre Bewegungen eine winzige Strömung, die Nährstoffe aus der Umgebung herbeischwemmt. Dies belegen neue Modellrechnungen eines internationalen Physikerteams mit Beteiligung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

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Bewegungsmuster auf einem ebenen Biofilm (blau-rot gefärbt) und dadurch erzeugte Flusslinien vom Lösungsmittel (blau), die für den Transport von Nährstoffen (bunte Kugeln) sorgen.
Bewegungsmuster auf einem ebenen Biofilm (blau-rot gefärbt) und dadurch erzeugte Flusslinien vom Lösungsmittel (blau), die für den Transport von Nährstoffen (bunte Kugeln) sorgen.
(Bild: Stanford University / Arnold J. T. M. Mathijssen)

Düsseldorf – Biofilme sind schleimig-glitschige Beläge von Mikroorganismen, die sich auf Gegenständen, aber auch Gewebe ablagern. Solche Biofilme können etwa bakterielle Zahnbeläge sein, die zu Karies und Parodontitis führen. Weil sich so viele Bakterien in Biofilmen tummeln, sind Nährstoffe hier heiß umkämpft. Wie die Mikroorganismen im Biofilm ihre Nährstoffversorgung sicherstellen können, haben nun Physiker vom Institut für Theoretische Physik II der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, aus Stanford (USA), Argonne (USA) und Santiago de Chile in einer weltumspannenden Kooperation ergründet.

Dazu haben sie untersucht, welche Bewegungsmuster die einzelnen Bakterien ausführen müssen, um so eine Strömung zu erzeugen. Der entstehende Wasserfluss sollte dann Nährstoffe zu ihnen transportieren und die Bakterien optimal versorgen. Dazu haben die Forscher eine mikro-hydrodynamische Theorie entwickelt und für verschiedene Bewegungstypen analysiert.

Gleichförmige Bewegung bringt den Hungertod

Die Ergebnisse der Modellierung zeigen, dass die Art der Bewegung die Mikroströmungen im Biofilm deutlich beeinflussen kann. „Führen alle Bakterien die gleichen Bewegungen aus, führt das zum Stillstand des Wasserflusses und damit zu ihrem sicheren Hungertod“, sagt Prof. Dr. Hartmut Löwen von der HHU. Bewegen sich die Bakterien jedoch unterschiedlich und auf vielfältige Art und Weise, erzeugt dies wie von selbst eine weitreichende und zum Biofilm gerichtete Strömung, über die dann Nährstoffe herangetragen werden.

Strömungen im Biofilm gezielt beeinflussen

Durch Musterbildung auf den Biofilmen kann der Zufluss an Nährstoffen gesteuert werden. Dabei entdeckten die Wissenschaftler ein verblüffend einfaches Baukastenprinzip, mit dem man systematisch Flüsse überlagern kann.

Das über Nährstoffversorgung entscheidende Flussfeld ist normalerweise nicht direkt sichtbar. „Deswegen wollten wir es durch unsere Rechnungen sichtbar machen. Wir stießen dabei auf ein allgemeines Prinzip, welches ein hohes Anwendungspotenzial besitzt“, sagt der Physiker Löwen. Denn über die Störung des Zuflusses kann es gelingen, Bakterienkolonien ohne Gift zu zerstören, einfach indem man sie aushungert.

Aber auch der umgekehrte Fall ist den Wissenschaftlern zufolge möglich: Bei erwünschten Biofilmen kann man durch intelligente Kooperation der Mikroorganismen eine weitflächige Nahrungsmittelversorgung sicherstellen.

Das Prinzip solcher Mikroströmungen ist nicht auf Bakterien beschränkt, sondern gilt auch für Mikroroboter oder „künstliche Schwimmer“ – letztere sind Partikel, die sich mittels Brennstoffen in Bewegung setzen können und zum Beispiel potenziell dazu verwendet werden können, um Medikamente im menschlichen Körper zu einem gewünschten Ziel zu transportieren.

Originalpublikation: A. J. T. M. Mathijssen, F. Guzman-Lastra, A. Kaiser, H. Löwen: Nutrient transport driven by microbial active carpets. Physical Review Letters Vol. 121, Iss. 24 (2018). ; DOI: 10.1103/PhysRevLett.121.248101

* Dr. A. Claussen, Heinrich Heine Universität Düsseldorf, 40225 Düsseldorf

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