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Strukturaufklärung von 100S-Ribosomen mit Kryo-Elektronenmikroskopie Beim Rendezvous der Ribosomen zugeschaut

Autor / Redakteur: Birgit Kruse * / Christian Lüttmann

Dank der Kryo-Elektronenmikroskopie ist einer Gruppe unter Beteiligung von Hamburger Forschern ein besonderer Einblick in die Biochemie gelungen: Sie haben die Bindung verschiedener Moleküle an 100S-Ribosomen mit bisher unerreichter Auflösung analysiert. Das Detailwissen über die molekularen Prozesse könnte sich auch als wertvoll für die Erforschung von Antibiotikaresistenzen erweisen.

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Dr. Bertrand Beckert hat den Aufbau von 100S-Ribosomen-Komplexen untersucht.
Dr. Bertrand Beckert hat den Aufbau von 100S-Ribosomen-Komplexen untersucht.
(Bild: UHH/Koller)

Hamburg – Ribosomen sind große Moleküle, die aus so genannten Ribonukleinsäuren und Proteinen aufgebaut sind. Sie kommen in den Zellen von Pflanzen, Tieren, Menschen sowie Bakterien vor und dienen dazu, andere wichtige Proteine herzustellen. Prinzipiell lassen sich zwei Typen von Ribosomen unterscheiden: der 70S- und der 80S-Typ. Das „S“ steht für „Svedberg-Einheiten“ und bezeichnet die Masse der Ribosomen. 70S-Ribosomen kommen in Bakterien wie Escherichia coli vor – einem Kolibakterium, das sich auch im menschlichen Darm befindet. Ein E.-coli-Bakterium kann bis zu 20.000 Ribosomen besitzen.

Um in Stresssituationen wie Nahrungsmangel länger überleben zu können, fahren Bakterien ihren Stoffwechsel herunter. Dabei wird auch die energieaufwendige Proteinsynthese reduziert. Dazu verbinden sich jeweils zwei aktive 70S-Ribosomen zu einem inaktiven 100S-Komplex. Mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie haben die Wissenschaftler um den Biochemiker Dr. Bertrand Beckert von der Universität Hamburg die genaue Bindung verschiedener Moleküle an ein 100S-Ribosom des Bakteriums Escherichia coli identifiziert.

Neue Aufnahmen – besser als bisherige 3D-Modelle

Damit sich die Ribosomen zusammenlagern können, benötigen sie zwei Moleküle, den so genannten „Ribosome Modulation Factor“ und den „Hibernation Promoting Factor“, kurz RMF und HPF. Obwohl bereits verschiedene 3D-Modelle von 100S-Ribosomen existieren, verhinderte die geringe Auflösung der Mikroskope bis jetzt, dass die Bindung von RMF und HPF experimentell genau identifiziert werden konnte.

Dies ist den Forschern um Beckert nun gelungen. Dabei konnten noch zwei weitere Moleküle identifiziert werden, die an das Ribosom binden: Transfer-RNA und ein Protein mit der Bezeichnung bS1.

Wissen für neue Antibiotika nützlich?

Da vor allem RMF und HPF in verschiedenen Bakterien auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Antibiotikaresistenzen spielen, könnte das Wissen über den genauen Aufbau des 100S-Ribosoms dazu beitragen, neue antimikrobielle Substanzen wie Antibiotika zu entwickeln, die an diesem Punkt ansetzen.

An dem Forschungsprojekt waren neben der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Daniel N. Wilson, zu der Beckert gehört, auch die Gruppen von Prof. Dr. Zoya Ignatova (Universität Hamburg), Prof. Dr. Jürgen Plitzko (Max-Planck-Institut für Biochemie) und Prof. Dr. Roland Beckmann (Ludwig-Maximilians-Universität München) beteiligt.

Originalpublikation: Bertrand Beckert, Martin Turk, Andreas Czech, Otto Berninghausen, Roland Beckmann, Zoya Ignatova, Jürgen M. Plitzko and Daniel N. Wilson: Structure of a hibernating 100S ribosome reveals an inactive conformation of the ribosomal protein S1. Nature Microbiology (2018); DOI: 10.1038/s41564-018-0237-0

* B. Kruse, Universität Hamburg, 20144 Hamburg

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