Lagerfähigkeit von Obst und Gemüse Bio-Behandlung: Länger lebe der Lagerapfel
Es ist oft ein langer Weg vom Stamm bis zum Verbraucher. Viele Äpfel erreichen den Supermarkt erst gar nicht, weil sie nach der Ernte Lagerschäden erleiden, z.B. Fäulnis. Dagegen haben nun Forscher der TU Graz eine biologische Methode entwickelt, die längere Lagerzeiten ermöglichen soll – auch für anderes Obst und Gemüse.
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Graz/Österreich – Die Ernten sind eingebracht. Jetzt gilt es, die Feldfrüchte gut zu lagern und möglichst lange und schonend haltbar zu machen. Nachernteverluste durch Verderben stellen aber ein signifikantes Problem entlang der Lieferkette dar und führen zu Gewinneinbußen in Millionenhöhe. Laut Statistik der FAO (Food and Agriculture Organization der UNO) geht fast die Hälfte der Welternte (45 Prozent) von Früchten und Gemüsen auf dem Weg zum Endverbraucher verloren. Hauptursachen für diese Verluste sind vor allem Schädlings- oder Krankheitsbefall sowie falsche Lagerbedingungen, die zu Fäulnis oder zu Frischmasseverlusten durch Atmung und Verdunstung führen. Abhilfe schafft oft nur der exzessive Einsatz von Chemikalien.
Nun haben Forscher des Instituts für Umweltbiotechnologie der TU Graz ökologische Methoden getestet, die die Lagerung von Äpfeln und Zuckerrüben verbessern. Die Ergebnisse könnten auch auf andere Obst- und Gemüsesorten. Für die Untersuchung arbeitete die TU Graz mit dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und Industriepartnern zusammen.
Eingeschmiert und heiß gebadet
Besonders verbreitet zur Verbesserung der Lagerfähigkeit ist die Heißwasserbehandlung (HWT). Sie hat sich bei einer Vielzahl von Kulturen als eine nachhaltige Methode zur Reduktion des pilzbedingten Fruchtverfalls nach der Ernte bewährt. Dabei werden Äpfel kurz in ein heißes Wasserbad getaucht. Dieser „Hitzeschock“ regt natürliche Abwehrmechanismen des Apfels an, das Wirkprinzip ist dabei noch nicht vollständig aufgeklärt. Und auch nach der Heißwasserbehandlung kommt es immer wieder zum Ausbruch von Pathogenen in der Lagerung und der Apfel verdirbt.
In einem Laborversuch hat die Leiterin des Instituts für Umweltbiotechnologie Gabriele Berg mit ihrem Team nun eine Methode entwickelt, die die Lagerfähigkeit von Bio-Äpfeln durch den kombinierten Einsatz von HWT und Biokontrollorganismen signifikant verbessert. „Wir haben Bio-Äpfel mit zwei der wichtigsten Fäulniserreger infiziert, anschließend mit Heißwasser und mit einem von uns designten Biokontrollmittel behandelt. Durch diesen kombinierten Ansatz konnten wir bei rund 60 Prozent der so behandelten Äpfel die Nacherntepathogene entweder gänzlich abtöten oder den Infektionsdurchmesser maximal eindämmen“, fasst Birgit Wassermann, Doktorandin in Bergs Team, die Versuche zusammen.
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Essreife Früchte im Handel
Lieferkette: Fruchtreife mit moderner Messtechnik überwachen
Gegenüber der Kontrollgruppe – Äpfel, die nur mit HWT behandelt wurden – zeigen sich mit der Kombi-Methode um 20 Prozent bessere Ergebnisse in der Resistenz der Äpfel gegen Lagerfäule. Diese Verbesserung führen die Forscher auf die additive Schutzwirkung des Biokontrollmittels zur Bekämpfung der Lagerschimmelpilze, das sie aus dem Apfelmikrobiom einheimischer Bio-Äpfel gewonnenen haben. „Dieser kombinierte Ansatz ist eine nachhaltige und ökologisch sinnvolle Möglichkeit, um die Apfelfäule einzudämmen. Auf Basis dieser Methode können wir gemeinsam mit industriellen Projektpartnern die Apfellagerung optimieren“, sagt Forschungsleiterin Berg.
Aktivierte Selbstverteidigung des Apfels
Gleichzeitig hat das Team erstmals untersucht, wie sich die Heißwasserbehandlung auf das Mikrobiom des Apfels auswirkt, also auf die Gesamtheit aller Mikroorganismen. Gemeinsam mit einem steirischen Bioobstunternehmen zeigten die Forscher in industriellem Maßstab, dass das natürliche Mikrobiom von Äpfeln durch die HWT-Behandlung unverändert bleibt, wohingegen Schadpilze nahezu gänzlich eingedämmt werden. Dies beweist den Forschern zufolge, dass HWT zur Ausschüttung von bestimmten pflanzeneigenen Abwehr-Metaboliten führt, die Schaderreger abtöten, ohne das natürliche apfelassoziierte Mikrobiom zu beeinflussen.
Die enge Verbindung zwischen der Pflanze und ihren mikrobiellen Symbionten wird dadurch ein weiteres Mal bestätigt. In einer vorhergehenden Studie hatte das Team um Berg bereits die Zusammensetzung des Apfelmikrobioms im Blick: Wir essen mit jedem Apfel etwa 100 Millionen Bakterien, allerdings unterscheidet sich das Mikrobiom eines Bio-Apfels wesentlich von dem eines konventionellen Apfels. Gelagerte Äpfel mit faulen Stellen enthalten auch ein grundsätzlich anderes Mikrobiom, das zu 99 Prozent aus Pilzen und nur zu einem Prozent aus Bakterien besteht.
Bio-Schutz auch für die Zuckerrübe
Nicht nur Apfelbauern, auch die Zuckerrübenindustrie erleidet jährlich Millionenverluste durch Lagerfäule. In Zusammenarbeit mit dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (Acib) hat sich das Forscherteam auch diesem Thema gewidmet und ein umweltfreundliches Pflanzenschutzmittel entwickelt.
Der Acib-Forscher Peter Kusstatscher hat hierzu ein eigenes Biokontrollmittel designt und unter industriellen Bedingungen getestet. „Die Behandlung der Rüben führt zu signifikant höheren Zuckerwerten nach der Lagerung“, sagt Kusstatscher. Zudem haben die Forscher ein Verfahren entwickelt, das schon vor der Rübenernte zeigt, welche Rüben von welchen Feldern besonders anfällig für Lagerfäulnis sind und deshalb schnell verarbeitet werden müssen. Diese Ergebnisse könnten in Zukunft wirtschaftliche Verluste erheblich minimieren, zumal durch die auftretenden Zuckerverluste allein in Deutschland derzeit pro Tag mehr als eine halbe Million Euro Schaden entsteht.
Originalpublikation: Birgit Wassermann, Peter Kusstatscher, Gabriele Berg: Microbiome response to hot water treatment and potential synergy with biological control on stored apples, Frontiers in Microbiology; DOI: 10.3389/fmicb.2019.02502
* B. Gigler, Technische Universität Graz, 8010 Graz/Österreich
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