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Tagungsbericht: Labor-Impuls-Forum Das Labor von morgen heute schon gestalten

Von Christian Lüttmann

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Das Labor der Zukunft – wie sieht es aus und auf welchen Wegen lässt es sich erreichen? Zu diesen Fragen trafen sich am 8. und 9. April 2019 knapp 150 Laborplaner und -einrichter sowie Anwender in Darmstadt. Auf dem Labor-Impuls-Forum ließen sie sich inspirieren, was beim Thema Laborbau aktuell und Zukunft wirklich zählt. LABORPRAXIS war für Sie einen Tag vor Ort.

Auf dem Labor Impuls Forum nutzten die Teilnehmer die Vortragspausen für regen Austausch untereinander.
Auf dem Labor Impuls Forum nutzten die Teilnehmer die Vortragspausen für regen Austausch untereinander.
(Bild: LABORPRAXIS)

Darmstadt – Ein neues Labor zu planen und einzurichten ist ein komplexes Projekt. Der Anspruch ist längst größer, als lediglich ein paar Werkbänke und Abzüge in einen Raum zu stellen. Doch noch sieht die Realität oft genau so aus. „Labore haben sich in den vergangenen 500 Jahren kaum verändert“, sagt Klaus Söhngen, Geschäftsführer von Eretec Laborplanung in seinem Eröffnungsstatement des Labor-Impuls-Forums am 8. April in Darmstadt. „Dabei wissen wir alle längst, dass das klassische Labor ausgedient hat.“ Trends wie Modularität und Automatisierung haben erst vor wenigen Jahren die neue Generation von Forschungseinrichtungen eingeläutet.

Ergänzendes zum Thema
Der Selbstversuch: Wie fühlt sich Veränderung an?

Dass Veränderung schwer ist, wissen wir alle. Dr. Arndt Pechstein von phi360 zeigt das in einem einfachen Selbstversuch. Verschränken Sie dazu die Arme. Dann öffnen Sie die Arme, schütteln sie einmal aus und verschränken Sie wieder. Fällt Ihnen etwas auf?

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie beide Male denselben Arm oben liegen hatten. Jetzt versuchen Sie einmal, beim Verschränken der Arme bewusst den anderen Arm nach oben zu legen. Es wird Ihnen schwerer fallen und Sie werden erst kurz überlegen müssen. Auch fühlt es sich irgendwie komisch an. Dabei ist es reine Gewöhnungssache, wie Pechstein betont. Es gibt keinen (bio)logischen Grund, die Arme so oder so zu verschränken. Und wie man sich an eine andere Armhaltung gewöhnen kann, so kann man sich auch an neue Arbeitsweisen und moderne Umgebungen im Labor gewöhnen. Offenes Denken ist also gefragt, sowohl von Laborplanern, als auch von den späteren Nutzern.

Ein neues Mindset ist gefragt

Mittlerweile ist ein Umdenken bei der Gestaltung der Labore im Gange und muss weiter gefördert werden. Davon ist Unternehmensberater Dr. Arndt Pechstein von phi360 überzeugt. Sein Credo: Weg von linearem Denken, hin zu mehr Kollaboration und Kooperation. „Wissen erlangen geht heute dank Google und Co automatisch per Knopfdruck. Was zunehmend wichtig wird, ist der Austausch und die Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlicher Fachrichtungen.“ Das erfordert Veränderung, und die sei nicht immer einfach, weiß Pechstein. Doch mit dem richtigen „Mindset“, also einer offenen Einstellung gegenüber den Veränderungen, könne man schließlich von individuellen Grüblern zu einer kollektiven Cloud Intelligence kommen und damit deutlich bessere Ergebnisse erzielen.

Für eine engere Zusammenarbeit müssen die geeigneten Räume geschaffen werden. „Einen Prototypen für das Labor der Zukunft gibt es aber nicht, weil es immer einzigartig ist“, stellt Tobias Ell, Vorstand bei Carpus+Partner, klar. Letztlich muss es den Anforderungen der Nutzer genügen, die sich oft ein Höchstmaß an Flexibilität wünschen. „Manchmal bedeutet das einfach ‚Ich weiß noch gar nicht, was ich brauche‘“, sagt Ell. Und selbst wenn zum Zeitpunkt der Planung klare Vorstellungen existieren, kann die Realisierung eines neuen Labors so lange dauern, dass beim Einzug längst andere Ansprüche relevant sind als ursprünglich geplant.

Digitalisierung ist nicht die Lösung für alles

Ell sieht noch viel Potenzial in der zukünftigen Laborgestaltung, z.B. straffere Planungszeiten und platzsparende Technologien. So verweist er auf ein Londoner Restaurant, bei dem man über eine Projektion auf dem eigenen Tisch das Essen bestellen kann: „Wenn ein Restaurant sich so eine Technik leisten kann, warum dann nicht auch ein Labor?“ Tastaturen würden überflüssig, die Laborbank selbst würde zur Steuereinheit für die Computer und Messgeräte.

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Die Digitalisierung als ultimative Lösung für alle Probleme heranzuziehen, sei aber der falsche Ansatz. „Nicht die Technologie wird die Zukunft bestimmen, sondern die Art wie wir damit umgehen“, ist Ell überzeugt. Er vergleicht übertriebenen Digitalisierungswahn mit dem unüberlegten Einrichten von Open Space Büros. „Es bringt nichts, einfach alle Wände wegzureißen und einen gemeinsamen Arbeitsraum zu schaffen – damit so ein neues Konzept funktioniert, muss sich auch die Arbeitsweise der Angestellten ändern.“

Vielseitige Maker Spaces statt fixe Fachräume

Moderne und frische Ideen sind gefragt, so wie sie an der TU München beim Unternehmertum [X] gelebt werden. Die Ideenschmiede unterstützt Studenten Jungunternehmer bei ihren Projekten und gibt Start-Ups Raum zur Entfaltung – ideell wie auch in flexibel genutzten Maker-Spaces. Solche geteilten Räume befürwortet auch der freie Bildungsredakteur Jürgen Luga. Statt Lernstoff nach Fächern geordnet zu unterrichten, sei es an der Zeit, Schülern phänomenbasiert Wissen zu vermitteln. Moderne Lernräume sollten nicht mehr reine Physik-, Chemie- oder Informatikräume sein, sondern die Grundausstattung für interdisziplinäres Lernen liefern.

Dass ein moderner Laborraum nicht unbedingt jahrelange Planung benötigt, hat ein Team des Unternehmertums [X] um Jérôme Lutz bewiesen. In einer speziellen Challenge haben sie das Thema Laborbau aufgegriffen und in sechs Tagen ein kleines Labor von Grund auf eingerichtet. Besondere Features wie berührungslos öffnende Schränke, sprachgesteuerte Lichter und eine Gasversorgung in rollbaren Modulen zeigen, was alles in kurzer Zeit möglich ist. Doch auch hier geht es am Ende vor allem um eins: um den Nutzer. Die Sprachsteuerung von Licht und Computer ist schließlich nur sinnvoll, wenn die Labormitarbeiter die richtigen Kommandos kennen.

Lean Lab als ein erster Schritt

So verlockend Digitalisierung ist, es muss nicht immer direkt der große Sprung zur digitalen Lösung sein, findet Dr. Wolf-Christian Gerstner, Geschäftsführer von Geniu. Er ist überzeugt, dass eine auf die Abläufe und Laufwege abgestimmte Laborinfrastruktur bis zu 20% effizienteres Arbeiten erlaubt. Lean Lab Design ist hier das Stichwort. Ein Neu- oder Umbau biete sich besonders an, diese Effizienzvorteile zu realisieren. Zudem rät Gerstner: „Grundsätzlich sollte man die Prozesse zuerst z.B. mithilfe von Lean-Techniken optimieren und dann digitalisieren.“

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Wie Sie „Lean“ im Labor richtig starten erklärt Gerstner in dem verlinken Beitrag.

Henkel folgt dem Trend der Digitalisierung

Dem Gedanken folgt auch Carsten Kern, Leiter der Henkel Innovation Centers. Wenn man heute eine Schwarz-weiß-Fotografie von manchen Henkel-Laboren machen würde, sähe dies den Gründungslaboren der Firma noch sehr ähnlich“, sagt er. Henkel arbeite aber intensiv an der Modernisierung der Forschungseinrichtungen und will nun mit dem Bau des neuen Innovation Centers in Düsseldorf Maßstäbe setzen. Vor allem das Wohlbefinden der Mitarbeiter steht dabei im Fokus. Kommunikation und Interaktion soll durch das offene Raumkonzept gefördert werden. Auch beim Thema Digitalisierung strebe man Verbesserungen an, jedoch noch keinen Spitzenplatz „Wir sind gerne der frühe Folger bei diesem Thema“, sagt Kern. Schließlich passiere es in der Vorreiterrolle öfter, dass die Dinge nicht so laufen wie geplant.

Duncan White und Rudi Scheuermann von Arup präsentierten auf dem Labor-Impuls-Forum Ergebnisse der Future-of-Labs-Studie. Einige Kernaussagen der Studie finden Sie auch in dem Beitrag:

Laborbau in China und Südkorea

Wie moderner Laborbau außerhalb Deutschlands realisiert wird, zeigte schließlich Maximilian Englisch von Waldner Laboreinrichtungen an Beispielen aus Asien. In China sind zum Beispiel Superlabs vor allem zur Lehre an Universitäten verbreitet. Wie große Lagerhallen mit zahlreichen Labortischen führen dort hunderte Studenten gleichzeitig ihre Versuche durch. Ein ausgeklügeltes Lautsprechersystem sorgt dafür, dass die Dozenten ihre Anweisungen gezielt an einzelne Tische übertragen können. So sind mehrere Kurse parallel durchführbar.

Wenn große Konzerne in Asien bauen, sind die Ergebnisse nicht mehr nur funktional, sondern meist auch beeindruckend designt. Und dies gilt nicht nur bei Beteiligung europäischer Inverstoren wie Evonik oder Clariant, wie das südkoreanische Unternehmen CJ beweist. Es ist hier zwar kaum bekannt, hat aber mit umgerechnet rund 22 Milliarden Euro Umsatz eine Marktstärke, die der von Evonik (14,4 Mrd. €) in nichts nachsteht.

Der neue Laborbau unterstreicht den Wert des Unternehmens und bildet aus der Vogelperspektive das Firmenlogo nach. Innen sorgen weitläufige, offene Räume mit Lounge-Ecken für Wohlfühlatmosphäre. Feste Büroplätze gibt es nicht, jeder arbeitet da, wo gerade Platz ist. So ergeben sich leicht neue Kontakte und damit neue Ideen. Letztlich geht es auch hier wieder um das wichtigste beim Laborbau: Um den Mensch, der dort arbeitet und einen Großteil seiner Lebenszeit verbringt. Im Neubau von CJ sind dafür sogar eigene Schlafplätze eingerichtet – damit Kollaborateure aus aller Welt bei ihren Besuchen das Gelände gar nicht mehr verlassen müssen.

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