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Systemischer Lupus Erythematodes Defekt der körpereigenen „Müllabfuhr“ lässt Mäuse an Lupus erkranken

Autor / Redakteur: Kerstin Nees* / Dr. Ilka Ottleben

Wenn die Entsorgung von abgestorbenen Zellen nicht richtig funktioniert, entwickeln Mäuse eine Erkrankung, die der Autoimmunkrankheit „Systemischer Lupus Erythematodes“ (SLE) beim Menschen entspricht. Die jetzt veröffentlichten Befunde eröffnen neue Therapieoptionen.

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PD Dr. med. Andreas Linkermann
PD Dr. med. Andreas Linkermann
(Bild: privat)

Kiel – Der Kieler Nephrologe PD Dr. Andreas Linkermann hat zusammen mit einem amerikanischen Forschungsteam um Professor Douglas R. Green (St Jude Children's Research Hospital, Memphis, Tennessee/USA) neue Erkenntnisse zur Entstehung der Autoimmunerkrankung „Systemischer Lupus Erythematodes“ gewonnen. Die Befunde eröffnen neue Therapieoptionen.

Die aktuell veröffentlichte Studie gründet auf Entdeckungen, die bereits 10 Jahre zuvor unter anderem von der Kieler Arbeitsgruppe um Professor Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und Sprecher des Exzellenzclusters „Entzündungsforschung“, gemacht wurden. Damals wurden genetische Veränderungen identifiziert, die mit der Entstehung von chronisch entzündlichen Erkrankungen assoziiert sind. Diese Veränderungen betreffen spezielle Proteine namens ATG5, ATG7, ATG16L usw. Sie sorgen für einen reibungslosen Ablauf der Autophagie, also für das Abbauen und Verwerten von Bestandteilen in der Zelle. „Lange Zeit ging man davon aus, dass die fehlgesteuerte Autophagie mit der Entstehung von Autoimmunprozessen zusammenhängt“, erklärt Co-Autor Dr. Andreas Linkermann, Mitglied im Exzellenzcluster „Entzündungsforschung“ und der Medizinischen Fakultät der CAU. Viele Anstrengungen wurden unternommen, um die Prozesse zu verstehen, mit denen Zellen ihre eigenen Bestandteile abbauen, und um dadurch Rückschlüsse auf Autoimmunprozesse zu ziehen.

Starker Stimulus für das Immunsystem führt zu Autoimmunerkrankungen

Die Nature-Veröffentlichung lenkt jetzt aber den Blick auf eine andere Funktion der identifizierten Eiweiße: die Beseitigung von toten und sterbenden Zellen. Dieser als LAP bezeichnete Prozess, LC3-assoziierte Phagozytose, wird ebenfalls über die Autophagie-Eiweiße reguliert. Linkermann: „Diese Maschinerie braucht man auch dafür, um in einem Organismus wie der Maus, aber auch im Menschen, Zellschrott wegzuräumen, abgestorbene Zellen und deren Überbleibsel. Wenn dieser Schrott längere Zeit nicht abgeräumt wird, ist das ein sehr starker Stimulus für das Immunsystem und führt daher zu Autoimmunerkrankungen.“ Dass tatsächlich ein Defekt der körpereigenen „Müllabfuhr“ relevant für Autoimmunprozesse ist, haben die Studien unter Leitung von Professor Green an genetisch veränderten Mäusen ergeben.

Es wurden Mäuse gezüchtet, die entweder Probleme mit LAP hatten, mit der Autophagie oder mit beidem. Dabei zeigte sich, nur Mäuse mit einem LAP-Defekt entwickelten eine Lupus-ähnliche Erkrankung, also Symptome, die denen der Autoimmunkrankheit SLE beim Menschen entsprechen. Sie waren kleiner als Mäuse ohne LAP-Defekt und hatten erhöhte Spiegel von entzündungsfördernden Botenstoffen und niedrigere Spiegel antientzündlicher Signalstoffe wie Interleukin 10. Durch Injektion abgestorbener Zellen wurden die Merkmale der Lupus-ähnlichen Erkrankung bei diesen Tieren verstärkt, aber nicht bei Tieren mit normaler LAP-Funktion. Linkermann, der wie sein amerikanischer Kollege den Zelltod erforscht, untersuchte die Effekte der defekten „Müllabfuhr“ auf das Nierengewebe. Denn die Niere ist beim Lupus oft in Mitleidenschaft gezogen, was sich auch bei den erkrankten Tieren zeigte.

Besseres Verständnis und Impulse für Therapie von Autoimmunerkrankungen

Der Oberarzt an der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten des UKSH ist überzeugt davon, dass die Ergebnisse nicht nur zum besseren Verständnis von SLE und anderen Entzündungskrankheiten beitragen, sondern auch Impulse für die Therapie geben. Bisher werden Autoimmunerkrankungen mit Medikamenten behandelt, die das Immunsystem dämpfen. Die Betroffenen seien dadurch infektanfälliger. Ein Infekt könne wiederum Krankheitsschübe verursachen. „Warum, kann man sich jetzt gut vorstellen“, so Linkermann. „Denn bei einem Infekt sterben viele Zellen ab. Dieser ‚Müll‘ wird nicht mehr so effektiv weggeräumt und stimuliert weiter das Immunsystem.“ Sinnvoll wäre daher ein Mittel zu entwickeln, das den Zelltod verhindern und damit weniger „Zellschrott“ entstehen lassen kann.

Originalpublikation: Jennifer Martinez et al: Noncanonical autophagy inhibits the autoinflammatory, lupus-like response to dying cells, Nature 2016, published online 20. April 2016. DOI: 10.1038/nature17950.

* K. Nees: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 24118 Kiel

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