Seltene Genveränderung verschlimmert Covid-19 Dieses Gen kann das Risiko für eine schwere Corona-Erkrankung erhöhen
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Wie gut man mit einer Corona-Infektion zurechtkommt, wird auch von den Genen mitbestimmt. So zeigt eine aktuelle internationale Studie, dass ein bestimmtes Gen deutlichen Einfluss auf die Schwere des Krankheitsverlaufes haben kann.

Warum sind manche Menschen kaum angeschlagen, wenn sie an Corona erkrankt sind, während andere schwere Symptome bis zum Versagen der Atem- und Kreislauffunktion erleiden? Neben Risikofaktoren wie Alter und Vorerkrankungen spielen hier auch die Gene eine Rolle. Ein internationales Forschungsteam hat in einer Studie das Erbgut von 5.085 schwer an Corona erkrankten mit mehr als 570.000 Kontrollpersonen verglichen. Dabei zeigte sich, dass seltene Veränderungen im Gen TLR7 zu Infektionen mit einem schweren Verlauf führen.
„TLR7 gehört zur Familie der Toll-like Rezeptoren und dient zur Erkennung von Pathogenen und anschließender Aktivierung des angeborenen Immunsystems“, erklärt Dr. Kerstin Ludwig vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn. Wenn es durch Mutationen zum Funktionsverlust des TLR7-Gens kommt, könne die Erkennung der Corona-Viren beeinträchtigt sein. Dadurch komme es zu einer geringeren Abwehr durch die Immunzellen – das Virus erhält weniger Gegenwehr.
Die Studie bestätigt auf Populationsebene, was aus familiären Fällen bereits bekannt war: Ein genetisch-vermitteltes Fehlen von TLR7 bedeutet einen starken Risikofaktor für schweres Covid-19. Diese Information kann zum einen im Rahmen einer individuellen Risikovorhersage eingesetzt werden. Zum anderen ermöglicht dieser Befund nun Folgearbeiten zum genauen Entstehungsmechanismus, dessen Aufklärung Grundlage für Medikamentenentwicklung für Covid-19 sein kann.
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Studie mit fast 12.000 ehemals SARS-CoV-2-Infizierten
Wie wahrscheinlich ist Long Covid nach einer Corona-Infektion?
Genetische Risikofaktoren untersucht
Die aktuelle Studie war nur durchführbar, da sowohl genetische als auch klinische Daten möglichst vieler Personen mit Covid-19 zusammengeführt wurden. 21 einzelne Arbeiten aus zwölf Ländern haben dazu beigetragen – darunter eine aus Deutschland. Dieser deutsche Beitrag stammt aus der Decoi-Initiative (www.decoi.eu) mit Beteiligung der Universtäten Bonn und Tübingen sowie der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Kurz nach Beginn der Pandemie bildete sich die internationale Covid-19 Host Genetics Initiative (Covid-19 HGI), in der weltweit Kohorten für die Untersuchung von wirtsgenetischen Faktoren zusammengetragen wurden. In den vergangenen Monaten fanden die Wissenschaftler bereits mehrere genetische Risikofaktoren für schwere Covid-19-Verläufe heraus, die häufig in der Bevölkerung vorkommen. Sie sind einzeln nicht krankheitsverursachend, sondern nur im Zusammenspiel mit anderen genetischen und klinischen Risikofaktoren, wie männliches Geschlecht, fortgeschrittenes Alter oder Übergewicht.
Internationales Großprojekt
Im Gegensatz zu diesen nur in Kombination wirkenden Risikofaktoren wird erwartet, dass es auch Patienten gibt, in denen ganz seltene Varianten ein hohes Risiko für schweres Covid-19 vermitteln. Um dies zu untersuchen, wurde die WES/WGS-Untergruppe der Covid-19 HGI gegründet. Die Auswertung von WES/WGS-Daten geht mit enormen Datenmengen und Anforderungen an die Bioinformatik einher. Außerdem können diese genetischen Daten nicht einfach mit weltweiten Gruppen geteilt werden, sondern müssen in den einzelnen Studienzentren analysiert und anschließend auf einer Meta-Ebene kombiniert werden, um Verzerrungen – etwa durch unterschiedliche Methoden – zu vermeiden.
Die Forscher verglichen die in den einzelnen Kohorten vorhandenen genetischen Varianten in jedem Gen des gesamten Erbguts und ihre Häufigkeit zwischen schwerbetroffenen Patienten und Kontrollpersonen. „Nicht weniger bedeutsam als das Resultat ist jedoch die Dimension der internationalen Zusammenarbeit“, sagt die Bonner Forscherin Ludwig. In beeindruckender Geschwindigkeit sei es gelungen, viele Nationen in ein großes genetisches Projekt zu holen und gemeinsam genetische Daten zu analysieren. Der Datensatz soll noch für weitere Untersuchungen verwendet werden.
Originalpublikation: Butler-Laporte G, Povysil G, Kosmicki JA, Cirulli ET, Drivas T, Furini S, et al.: Exome-wide association study to identify rare variants influencing COVID-19 outcomes: Results from the Host Genetics Initiative, PLOS GENETICS, DOI: 10.1371/journal.pgen.1010367
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