English China

Stoffwechselerkrankung Phenylketonurie Mausmodell: Erbkrankheit mit CRISPR/Cas9 geheilt

Autor / Redakteur: Peter Rüegg* / Dr. Ilka Ottleben |

Im Rahmen des so genannten Neugeborenen-Screenings werden hierzulande alle Neugeborenen u.a. auf die erbliche Stoffwechselerkrankung Phenylketonurie untersucht. Die Krankheit ist bislang nicht heilbar und beruht auf einer Mutation im Phenylalanin-Hydroxylase-Gen. Im Mausmodell ist es Forschern der ETH Zürich und des Kinderspitals Zürich nun mithilfe eines erweiterten CRISPR/Cas9-Systems gelungen, solche Gen-Mutationen gezielt zu korrigieren und die an Phenylketonurie erkrankten Mäuse zu heilen.

Anbieter zum Thema

Die Phenylketonurie ist eine der häufigsten angeborenen Stoffwechselerkrankungen. Es sind bislang mehrere hundert Mutationen des Phenylalanin-Hydroxylase-Gens bekannt, die eine klassische Phenylketonurie auslösen können. (Symbolbild)
Die Phenylketonurie ist eine der häufigsten angeborenen Stoffwechselerkrankungen. Es sind bislang mehrere hundert Mutationen des Phenylalanin-Hydroxylase-Gens bekannt, die eine klassische Phenylketonurie auslösen können. (Symbolbild)
(Bild: ©Eisenhans - stock.adobe.com)

Zürich/Schweiz – Die Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie dürfte frischgebackenen Eltern ein Begriff sein: In vielen Ländern wird jedes neugeborene Kind auf diese Erbkrankheit getestet. Ist es davon betroffen, muss es mit einer speziellen Diät ernährt werden, damit sich die Aminosäure Phenylalanin aus der Nahrung nicht im Körper anreichern kann. Ein Übermaß an Phenylalanin verzögert die geistige und motorische Entwicklung. In schlimmen Fällen erleiden Betroffene massive geistige Behinderungen.

Phenylketonurie: Mutation führt zu fehlerhaftem Enzym

Die Ursache für die Stoffwechselstörung ist eine Mutation auf dem Gen, das den Bauplan für das Enzym namens Phenylalanin-Hydroxylase (PAH) darstellt. Dieses Enzym, welches von Leberzellen hergestellt wird, baut Phenylalanin um. Die Krankheit wird autosomal rezessiv vererbt: Das Kind erkrankt dann, wenn es von der Mutter und vom Vater je ein mutiertes Gen vererbt bekommen hat. Heilbar ist diese Krankheit bisher nicht.

Erweiterung des CRISPR/Cas9-Systems

Ein Forschungsteam um ETH-Professor Gerald Schwank hat sich nun jedoch eine Methode zunutze gemacht, um beide mutierten Gene in Leberzellen zu korrigieren und damit die Krankheit zu heilen. Zumindest in Mäusen ist dies gelungen.

Mithilfe eines um ein Enzym erweitertes CRISPR/Cas9-Systems änderten die Forschenden in erwachsenen Mäusen gezielt die Abfolge der DNA-Bausteine des entsprechenden Gens. Infolgedessen konnten die Leberzellen wieder funktionierende PAH-Enzyme herstellen. Die Mäuse waren geheilt.

Im Detail: Der um eine sogenannte Cytidin-Deaminase erweiterte CRISPR/Cas9-Komplex bindet an die zu korrigierende Stelle des Gens und öffnet lokal die beiden Stränge der DNA. Die Deaminase wandelt das krankheitsverursachende DNA-Basenpaar C-G in das in gesunden Individuen vorkommende Basenpaar T-A um. Der Fehler in der DNA-Bausteinabfolge wird so korrigiert.

Bei der klassischen CRISPR/Cas-Editierung ist die Induktion eines Bruchs des DNA-Doppelstrangs das zentrale Element für die Genkorrektur. An einer definierten Stelle wird der Doppelstrang zerschnitten, und die Zelle versucht den Schnitt mittels verschiedener Mechanismen zu reparieren. Falls der Zelle eine passende DNA-Sequenz von außen zugefügt wird, erlaubt es ein spezieller Reparaturmechanismus eine Gensequenz gezielt zu verändern.

Das Problem dabei ist, dass die meisten menschlichen Zellen hauptsächlich andere Mechanismen verwenden, welche zusätzliche ungezielte Mutationen erzeugen.

Schonendes Genediting

Die Forscher konnten feststellen, dass das neues Gen-Editierwerkzeug sehr viel effizienter ist als die klassische CRISPR/Cas9-Methode: Bis zu 60 Prozent aller fehlerhaften Genkopien in der Mäuseleber wurden korrigiert. Dies führte dazu, dass die Phenylalanin-Konzentration auf die Normalwerte sank, und Tiere nach der Behandlung mit dem Gen-Editierwerkzeug keine Krankheitsanzeichen mehr zeigten.

Um den genetischen Code für das neue Korrekturwerkzeug in die Leberzellen zu transferieren, bauten die Forscher die dazu nötigen Gene in Adeno-assoziierte Viren ein und spritzten diese den Mäusen ins Blut. Das Virus infizierte darauf die Leberzellen und schleuste dabei die Gene für das Editierwerkzeug in die Leberzelle.

„Hohes Potenzial für Anwendungen im Menschen“

„Dieser Ansatz hat ein hohes Potenzial für Anwendungen im Menschen“, sagt Gerald Schwank. Allerdings sei die vorliegende Studie erst ein Machbarkeitsbeweis. Klinische Studien müssten folgen, um die Wirksamkeit des neuen Gen-Editierwerkzeugs in anderen Tieren und dereinst auch im Menschen zu prüfen.

Bisherige Methoden der Gen-Editierung waren nur mäßig erfolgreich darin, Mutationen direkt in Tieren gezielt zu korrigieren. In der Leber von erwachsenen Mäusen lag die Korrekturrate bislang bei wenigen Prozent, erklärt Schwank. „Wir haben hier ein Vielfaches erreicht – das hat bisher noch niemand geschafft.“

Risiken hält Schwank für gering. Die Forscher haben im Mausmodell nach Anwendung des Editierwerkzeugs nach ungezielten Mutationen gesucht, also solche an Stellen, wo keine sein sollten. Fündig wurden sie nicht. In einer Folgestudie möchte er diese Frage nun noch eingehender untersuchen. „Die menschliche Leber besteht aus mehreren Milliarden Zellen. Keine davon darf nach der Editierung Mutationen aufweisen, die zu Tumoren führen“, betont Schwank. Man müsse auch untersuchen, ob das Adeno-assoziierte Virus, welches die Forscher als Transportvehikel für die Editierwerkzeug-Gene einsetzen, unerwünschte Effekte verursache.

Weitere erbliche Stoffwechselkrankheiten im Fokus

„Der Einsatz eines Basen-Editors war der Schlüssel zum Erfolg“, freut sich auch Schwanks Doktorand und Studien-Erstautor Lukas Villiger. Diese wurden am Massachussetts Institute of Technology (MIT) entwickelt und erst vor zwei Jahren in einer Fachpublikation vorgestellt. Zuvor arbeiteten die ETH-Forscher mit klassischen CRISPR/Cas-Ansätzen. Nach 2016 nutzten Schwank und Villiger die Technik der US-Forschenden. „Der Weg war trotz den neuen Basen-Editoren nicht gradlinig, wir mussten ziemlich viel herumtüfteln“, sagt Villiger. Die größte Überraschung sei gewesen, dass dieses System so viel effizienter sei als die klassische CRISPR/Cas-Werkzeugkiste.

Die Phenylketonurie ist nicht die einzige erbliche Stoffwechselerkrankung der Leber. Genetisch bedingte Störungen des Harnstoffwechsels führen zum Beispiel dazu, dass der Körper Ammonium als Abfallprodukt aus stickstoffhaltigen Nahrungsmitteln nicht aus dem Blut entfernen und zu Harnstoff abbauen kann. Dies führt vor allem zu Störungen im Zentralnervensystem. Die einzige derzeitig verfügbare Möglichkeit zur Heilung ist eine Lebertransplantation. Schwank möchte deshalb das neu entwickelte Gen-Editierwerkzeug auch bei solchen Erbkrankheiten testen.

Originalpublikation: Villiger L, Grisch-Chan HM, Lindsay H, Ringnalda F, Pogliano CB, Allegri G, Fingerhut R, Häberle J, Matos J, Robinson MD, Thöny B, Schwank G. Treatment of a metabolic liver disease by in vivo genome base editing in adult mice. Nature Medicine 2018, Oct 8th. doi 10.1038/s41591-018-0209-1

* P. Rüegg: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 8092 Zürich/Schweiz

(ID:45537745)