Selbstorganisation von Partikeln Nanopartikel – Synchronschwimmen im Scheinwerferlicht
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Selbstorganisation fällt schon manchem Menschen schwer, doch bestimmte Nanopartikel scheinen dies mit Bravour zu beherrschen. Sie strömen unter UV-Licht koordiniert innerhalb eines Wassertropfens umher – und synchronisieren sich dabei sogar mit Partikeln benachbarter Tropfen. Dieses Phänomen haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme nun beschrieben.

Stuttgart – Kommunikation und organisiertes Verhalten gilt als die Quintessenz des Lebens. So organisieren sich etwa Ameisen zu tausenden in eigenen Staaten, und selbst einzelne Zellen im Gewebe tauschen über chemische Signale Informationen untereinander aus.
Die Fähigkeit zur Selbstorganisation ist aber nicht nur in lebenden Systemen zu finden. Auch bei unbelebten Teilchen lassen sich in bestimmten Fällen strukturierte Prozesse entdecken. Ein Beispiel dafür haben nun Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) anhand von Nanopartikeln untersucht. Dabei haben sie gezeigt, wie Tropfen mit Nanopartikeln sich selbst organisieren und miteinander kommunizieren können.
Wie Nanopartikel zum Gruppenschwimmen gebracht werden
Gemeinsam mit Wissenschaftlern der spanischen Universität Sevilla fanden die MPI-Forscher eine einfache, jedoch hochgradig interaktive Form von Nanopartikeln. Sie verwendeten Pulver aus Titandioxid (TiO2), fügten Peroxid hinzu und setzten das Gemisch in einen Wassertropfen. „An den Partikeln findet eine chemische Reaktion statt, wenn wir sie mit UV-Licht bestrahlen“, sagt Dhruv Singh, der Erstautor der Studie. „Obwohl die einzelnen Partikel nicht beweglich sind, ist es etwas ganz anderes, wenn viele von ihnen zusammenkommen. Indem wir eine große Anzahl von Nanopartikeln in einem Tropfen einschließen, konnten wir ein sehr dichtes System aktiver Partikel generieren und beobachten“, führt der Forscher aus.
Für ihre Experimente platzierte das Team die mit Nanopartikeln gefüllten Tröpfchen in einen Ölfilm und bestrahlte sie dann mit einer UV-Lampe. „Bei der Beleuchtung sahen wir, wie sich innerhalb des Tropfens spontan Strömungen entwickelten und die Partikel sich selbst zu einem definierten Muster organisierten“, beschreibt Singh die Ergebnisse der Mikroskopieaufnahmen.
Tropfen kommunizieren miteinander
Die Forscher erklären das Phänomen durch einen neuartigen Mechanismus, der einerseits auf der räumlichen Einkapselung im Tropfen und anderseits auf den Änderungen in der chemischen Zusammensetzung von der Grenzfläche des Tropfens basiert. Die chemischen Reaktionen der Partikel erzeugen Strömungen im Tropfen, was als Marangoni-Effekt bekannt ist.
Bemerkenswert ist den Wissenschaftlern zufolge, dass nicht nur innerhalb jedes Tropfens eine Selbstorganisation stattfindet, sondern dass jeder Tropfen spontan mit seinen Nachbarn durch den Austausch von Chemikalien interagiert. Lagen mehrere Tropfen beieinander, so koordinierten sie alle ihre Strömungen – selbst dann noch, wenn sie deutlichen Abstand zueinander hatten.
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Wechselwirkungen in künstlichen Systemen
Nanopartikel formieren sich durch Informationsaustausch
Modellsystem und potenzielle Mikropumpe
Unsere Studie veranschaulicht, wie aktive Teilchen – wenn sie in großer Zahl und hoher Dichte vorkommen – makroskopisch geordnete Systeme bilden und chemisch kommunizieren können“, sagt Peer Fischer, Leiter des Mikro, Nano und Molekulare Systeme Labors am MPI-IS.
Die hochverdichteten aktiven Systeme der Forscher eignen sich allen voran als Modellsystem zur Untersuchung kollektiver Phänomene. Aber auch einen praktischen Nutzen kann Erstautor Singh sich vorstellen: „Die Tropfen können verwendet werden, um komplexes Strömungsverhalten zu erzielen und somit Flüssigkeiten zu pumpen.“
Originalpublikation:D. P. Singh, A. Domínguez, U. Choudhury, S. N. Kottapalli, M. N. Popescu, S. Dietrich & P. Fischer: Interface-mediated spontaneous symmetry breaking and mutual communication between drops containing chemically active particles, Nature Communications volume 11, Article number: 2210 (2020) ; DOI: 10.1038/s41467-020-15713-y
* L. Behringer, Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, 70569 Stuttgart
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