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Zehn Milliarden US-Dollar Schaden pro Jahr Naturkatastrophen bedrohen Weinregionen

Redakteur: Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Hagel, Frost, Erdbeben oder Überschwemmungen – die Weinbauregionen weltweit werden von Starkwetterereignissen und Naturkatastrophen bedroht. Ein internationales Forscherteam hat nun einen globalen Risikoindex für diese Regionen erstellt. Die Wissenschaftler gehen von Verlusten von mehr als zehn Milliarden US-Dollar aus.

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Winzer verlieren durch Naturkatastrophen jährlich rund zehn Milliarden US-Dollar.
Winzer verlieren durch Naturkatastrophen jährlich rund zehn Milliarden US-Dollar.
(Bild: gemeinfrei / CC0 )

Karlsruhe – Die weltweite Weinindustrie erleidet infolge von extremen Wetterereignissen und Naturkatastrophen jedes Jahr Verluste von mehr als zehn Milliarden US-Dollar durch zerstörte Vermögenswerte, Produktionsausfälle und entgangene Gewinne. Welche Regionen wie stark von den einzelnen Risiken betroffen sind und wie sich der Klimawandel auf den Weinbau auswirkt, untersucht ein multidisziplinäres Team von europäischen und australischen Forschern um Dr. James Daniell am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Auf der Jahresversammlung 2017 der European Geosciences Union (EGU) in Wien hat Daniell nun einen globalen Risikoindex für Weinregionen vorgestellt.

Argentinischer Weinregionen am gefährdetsten

Den weltweit höchsten Risiken durch Extremwetter und Naturkatastrophen sind die Weinregionen Mendoza und San Juan in Argentinien ausgesetzt. Auf Platz zwei liegen Kachetien und Racha in Georgien, danach folgen das südliche Cahul in Moldawien (Platz drei), der Nordwesten Sloweniens (Platz vier) sowie Yaruqui in Ecuador und Nagano in Japan (Platz fünf). Dies zeigen die ersten Ergebnisse einer laufenden weltweiten Studie und die erste Auflage des globalen Risikoindex für Weinregionen, die der Leiter der Studie, Dr. James Daniell vom Geophysikalischen Institut (GPI) und vom Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) des KIT, nun auf der Jahresversammlung 2017 der European Geosciences Union (EGU) in Wien in der Session „Natural hazard event analyses for risk reduction and adaptation“ vorgestellt hat. Die EGU zeichnete Daniell zudem mit dem „Early Career Scientist Award in Natural Hazards for 2017“ aus. An der Studie und dem Index sind Seismologen, Meteorologen und Vertreter weiterer Disziplinen von den Forschungseinrichtungen KIT, Australian National University, University of Adelaide, Griffith University, University of New South Wales und University College London sowie das Karlsruher Unternehmen Risklayer GmbH beteiligt. Die Website „WineRisk“ fasst die Ergebnisse der Studie zusammen und wird Lösungen für Weinregionen vorstellen.

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Die größten Weinländer der Welt und die für sie relevantesten Naturrisiken
  • Italien: 4,9 Milliarden Liter (2016, Organisation Internationale de la Vigne et du Vin/OIV)) – Hagel, Frost, Erdbeben
  • Frankreich: 4,2 Milliarden Liter (2016, OIV) – Frost, Hagel, Sturm
  • Spanien: 3,8 Milliarden Liter (2016, OIV) – Hagel (Nordwesten), Frost, Hitze
  • USA: 2,25 Milliarden Liter (2016, OIV) – Frost, Erdbeben, Sturm
  • Australien: 1,25 Milliarden Liter (2016, OIV) – Frost, Sturm, Hagel, Buschfeuer

Die Studie erfasst mehr als 7 500 Weinbaugebiete in 131 Ländern. Weltweit gibt es kein Weinbaugebiet, das nicht von Extremwetter oder Naturkatastrophen bedroht ist. Ereignisse wie Frost, Hagelstürme, Überschwemmungen, Hitze, Dürre, Wald- und Buschbrände sowie Erdbeben kosten die weltweite Weinindustrie konservativen Schätzungen zufolge jedes Jahr mehr als zehn Milliarden US-Dollar durch zerstörte Vermögenswerte, Produktionsausfälle und entgangene Gewinne.

Kältewellen, Frost und Hagel

„Kältewellen und Frost haben weitreichende Auswirkungen“, erklärt James Daniell. In den vergangenen Tagen trat Frost nahezu europaweit auf, wobei die Slowakei, Bosnien, Serbien, Ungarn, Österreich und Tschechien am stärksten betroffen waren. Hagelstürme gehören Jahr für Jahr zu den größten Bedrohungen für europäische Winzer. So erfuhren traditionelle Weinländer wie Frankreich und Italien in den vergangenen fünf Jahren große Verluste durch Hagel und Frost; besonders stark betroffen waren Burgund und Piemont. Die Hagelverluste von 2012 bis 2016 betrugen in einigen Weinbergen 50 bis 90 Prozent des eigentlichen Werts der Ernte; dazu kommen langfristige Schäden an vielen alten Reben.

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Doch nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt sind die meisten Weinanbaugebiete von mindestens einem Hagelereignis im Jahr betroffen, das zu Schäden für einzelne oder sogar mehrere Jahrgänge führen kann, je nachdem in welcher Phase des Wachstums sich der Wein gerade befindet. Wie James Daniell erklärt, können Hagelnetze bei einem großen Hagelsturm in den meisten Fällen die Ernte retten: „Kosten-Nutzen-Analysen zeigen, dass Premiumweine durch Hagelnetze geschützt werden sollten, während für andere Weine kostengünstigere Methoden oder Versicherungen zu empfehlen sind.“

Erdbeben

Erdbeben können die Infrastruktur von ganzen Weinregionen über einige Jahre lahmlegen. In den vergangenen Jahren waren unter anderem Chile, Neuseeland und die USA betroffen. Chile hatte 2010 einen Verlust von über 125 Millionen Litern Wein zu verzeichnen, hauptsächlich durch Versagen von Stahlbehältern. „Ein erdbebensicheres Design hätte viele Millionen Liter retten können“, sagt Daniell. Erdbeben verursachen auch erheblich Verluste an Gebäuden, Tanks, Fässern, Ausrüstung und Chemikalien. Auch kleinere Erdbeben können nicht nur finanzielle Schäden anrichten, sondern zudem unersetzliche historische Güter zerstören, wie Verkostungsräume und seltene Weinkollektionen. Investitionen in Stabilisierungsmechanismen wie Bebenwachs, Reißverschlüsse oder Bolzen, die wenig kosten, können solchen Verlusten vorbeugen. Zu berücksichtigen sind überdies die negativen Folgen der durch Naturkatastrophen verursachten Schäden für Arbeitsmarkt und Tourismus.

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