Neuer Therapie-Ansatz Parkinson: Kalzium-Prohibition zur Rettung von Nervenzellen
Durch Absterben von Nervenzellen im Gehirn entstehen neurodegenerative Krankheiten wie Parkinson. Eine gezielte Blockade von Kalzium-Kanälen scheint hier ein probater Therapieansatz zu sein. So zeigt eine neue Studie von Forschern der Universität Ulm, dass damit das Absterben bestimmter Nervenzellen verhindert werden kann.
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Ulm – Die Parkinson-Krankheit ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, nach Demenzerkrankungen wie Alzheimer. Allein in Deutschland sind rund 300.000 Patienten davon betroffen, und die Zahl nimmt weiter zu. Bei dieser Krankheit sterben Nervenzellen in der „Schwarzen Substanz“ des Gehirns ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren und freisetzen. Der daraus folgende Dopamin-Mangel führt letztendlich zu Bewegungsstörungen, wie dem krankheitstypischen Ruhe-Zittern und versteiften Muskeln.
Blockade von Kalzium-Kanälen verhindert Zelltod
Das Absterben der Dopamin-produzierenden Neuronen und deren hohe Empfindlichkeit für Parkinson-Stressoren stand nun im Fokus einer Studie von Forscher der Universität Ulm um Professorin Birgit Liss, Leiterin des Instituts für Angewandte Physiologie. Die Wissenschaftler identifizierten in diesem Zusammenhang einen speziellen spannungsgesteuerten Ionenkanal: einen Kalzium-Kanal vom R-Typ, auch Cav2.3 genannt. „Wir haben zusammen mit unseren Kooperationspartnern herausgefunden, dass dieser Kanal, der zuvor noch nicht mit der Parkinson-Krankheit in Verbindung gebracht wurde, wichtig für die Funktion der empfindlichen Dopamin-produzierenden Nervenzellen im Gehirn ist. Dieser Kanal lässt in bestimmten Abständen Kalzium in die Zellen. Wird er aber geschlossen, schützt dies im Parkinson-Mausmodell die Nervenzellen vor dem Absterben“, erklärt Studienleiterin Liss. Kalzium ist zwar für eine Vielzahl von Zellfunktionen wichtig, aber zu viel davon kann zum Zelltod führen.
„Unsere Untersuchungen an Nervenzellen von Parkinson-Patienten zeigen, dass der Cav2.3-Kanal auch beim Menschen wichtig ist und in ähnliche Signalkaskaden involviert scheint, wie im Mausmodell“, sagt Erstautorin Julia Benkert. Demnach soll der Cav2.3-Kanal durch die Aktivität der empfindlichen Neuronen geöffnet und geschlossen werden und so zeitweise erhöhte Kalziumspiegel in den Zellen verursachen, was deren Absterben verursacht
Kalzium-Stopp ist kein Erfolgsgarant
Dass es mit einer Therapie auf Basis der Kalium-Kanäle nicht ganz einfach ist, zeigt eine andere Studie mit dem Medikament Isradipin. Diese scheiterte vor kurzem in der klinischen Phase III. Isradipin fungiert als Wirkstoff, der ebenfalls Kalzium-Kanäle verschließt, allerdings einen anderen Typ. Obwohl epidemiologische Hinweise die Verwendung von solchen Kanalblockern mit einem verringerten Parkinson-Risiko in Verbindung bringen, bot Isradipin in der Studie keinen Schutz für Parkinson-Patienten. Die neuen Befunde von Liss‘ Team könnten nun einen Erklärungsansatz dafür liefern, wie die Forscher sagen. Nach eigenen Angaben haben sie mit ihrer Studie einen neuen Ansatzpunkt für eine mögliche Therapie der Parkinson-Krankheit geschaffen.
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Toxischer Teufelskreis
Parkinson: Schnellerer Verlauf durch oxidativen Stress?
Zurzeit gibt es noch keine Behandlungsmöglichkeit, um die Krankheit zu kurieren oder zumindest ihr Fortschreiten zu verlangsamen. In Zukunft könnte das Ausschalten von Cav2.3-Kanälen – allein oder in Kombination mit anderen Kalzium-Kanälen – die Grundlage einer neuen neuroprotektiven Therapie für die Parkinson-Krankheit bilden. Das Ziel der Forscher ist es, die neurodegenerative Krankheit zu verlangsamen oder gar aufzuhalten.
Originalpublikation: Julia Benkert, Simon Hess, Shoumik Roy, Dayne Beccano-Kelly, Nicole Wiederspohn, Johanna Duda, Carsten Simons, Komal Patil, Aisylu Gaifullina, Nadja Mannal, Elena Dragicevic, Desireé Spaich, Sonja Müller, Julia Nemeth, Helene Hollmann, Nora Deuter, Yassine Mousba, Christian Kubisch, Christina Poetschke, Joerg Striessnig, Olaf Pongs, Toni Schneider, Richard Wade-Martins, Sadip Patel, Rosanna Parlato, Tobias Frank, Peter Kloppenburg & Birgit Liss: Cav2.3 channels contribute to dopaminergic neuron loss in a model of Parkinson’s disease, Nature Communications volume 10, Article number: 5094 (2019); DOI: 10.1038/s41467-019-12834-x
* D. Stang, Universität Ulm, 89081 Ulm
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