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Qualitätsprüfung Smarte Charakterisierung für smarte Beschichtungen

Ein Gastbeitrag von Vanessa Fronk*, Andreas 
Schneider** Lesedauer: 7 min

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Die Qualität eines Produktes hängt häufig von den Rohstoffen ab. Aber auch die Art der Dispergierung, der Energieeintrag und die Stabilisierung sind entscheidend. Im Folgenden wird an zwei Graphen-Dispersionen und deren Verarbeitung zu Beschichtungen gezeigt, welche Charakterisierungsmethoden für welche Prozessschritte relevant sind.

Abb.1: Die Funktion und Leistungsstärke von beschichteten Produkten hängt direkt mit der Qualität der Beschichtung zusammen, welche wiederum von der Qualität der Dispersion (als Vorstufe) abhängt.
Abb.1: Die Funktion und Leistungsstärke von beschichteten Produkten hängt direkt mit der Qualität der Beschichtung zusammen, welche wiederum von der Qualität der Dispersion (als Vorstufe) abhängt.
(Bild: Anton Paar)

Beschichtungen sind vielfältig und kommen in verschiedensten Industrien vor. Sei es, um Oberflächen zu färben, zu schützen oder zu funktionalisieren. Wenn Hochleistungskunststoffe metallische Werkstoffe, wie Stahl oder Aluminium, ersetzen, entfallen im Produkt die charakteristischen Werkstoffeigenschaften wie Leitfähigkeit oder elektromagnetische Abschirmung. Durch die Modifizierung von Polymeren mit leitfähigen Materialien können die für das Bauteil wichtigen Eigenschaften mit den Vorteilen von Hochleistungskunststoffen, wie Korrosionsbeständigkeit und Flexibilität kombiniert werden und somit auch neue Anwendungen ermöglichen. Es gibt unterschiedliche Methoden, um Polymeren bzw. Kunststoffen, und den daraus gefertigten Produkten, elektrisch leitfähige Eigenschaften zu verleihen. Dazu zählen das Einarbeiten von elektrisch leitfähigen Füllstoffen in das Bulkmaterial, Verwendung von intrinsisch leitfähigen Polymeren und die Beschichtung mit leitfähigen Materialien. Ein sehr interessantes Einsatzgebiet ist die Ausstattung „smarter“ Kleidungsstücke mit Sensoren. Hierfür werden ebenfalls leitfähige Schichten benötigt. So könnten Kleidungsstücke, die die Körpertemperatur, Puls und Atemfrequenz aufzeichnen, hergestellt werden. Zur Beschichtung von Kleidungsstücken (z. B. für das Logo) werden häufig wasserbasierte Polyurethane (PU) eingesetzt. Als leitfähige Additive werden Kohlenstoffe (z. B. Leitruß, CNT und Graphen) eingesetzt.

Die Funktion und Leistungsstärke hängen direkt mit der Qualität der Beschichtung zusammen, welche wiederum von der Qualität der Dispersion (als Vorstufe) abhängt. Um neue Produkte zu entwickeln, ist es also notwendig, bereits die Rohstoffe und v. a. die Qualität der Dispersion zu charakterisieren.

In dieser Studie wurde der Prozess vom Graphen-Pulver über die Dispersion, bis zur fertigen Schicht mittels Charakterisierungsmethoden verfolgt.

Über das EZD

Das Europäische Zentrum für Dispersionstechnologien (EZD) in Selb ist ein interdisziplinäres Forschungs- und Technologietransferzentrum, dessen Hauptaugenmerk auf der Herstellung und Charakterisierung von Dispersionen liegt. Es wurde von der Industrie ins Leben gerufen, unter Federführung des SKZ aufgebaut und im Jahr 2014 eröffnet. Im EZD werden sowohl alle wesentlichen Entwicklungsarbeiten, als auch alle relevanten Dienstleistungen rund um das Thema „Dispergieren“ für die Industrie angeboten.

Dispergierprozess

Zur Formulierung wurden eine asymmetrische Doppelzentrifuge vom Typ Speedmixer DAC 150 SP (Hauschild) sowie ein Heidolph und ein Netzsch Shearmaster Dissolver eingesetzt. Zunächst wurde das entsprechend ausgewählte Dispergieradditiv in der wässrigen PU-Dis­persion in einer bestimmten Konzentration mit dem Speedmixer bei 2000 U/min für 60 s vollständig aufgelöst. Anschließend wurde das Graphen-Pulver zugegeben und entweder mit einem Dissolver oder mit dem Speedmixer eingearbeitet. Probe A wurde zusätzlich stabilisiert mit einem nicht-ionischen polymerischen Additiv (EDAPLAN 490). Probe B wurde kein Additiv zugesetzt.

Beschichtungsprozess

Anschließend wurden die Dispersionen A und B zur Beschichtung mit einem automatischen TQC-Sheen-Filmauftragsgerät (mit 200-µm-Filmauftragswerk; Auftragsgeschwindigkeit von 10 mm/s; Substrat 5 mm PET) verwendet und für 30 Minuten bei 90 °C getrocknet. Der hergestellte Film hat eine Filmdicke von etwa 120 µm.

Laserbeugung

Die Partikelgrößenverteilungen und Volumen-gewichteten D-Werte wurde mit dem PSA 1090 LD von Anton Paar bestimmt. Die Messtechnik beruht auf dem Prinzip der Laserbeugung. Für die Messungen in Wasser wurden die Proben mit 60 Sekunden Ultraschall behandelt und das Mie-Modell angewendet.

Elektrophoretische Lichtstreuung

Für die Zetapotenzialanalyse wurde der Litesizer 500 von Anton Paar verwendet. Das Messprinzip beruht auf der elektrophoretischen Lichtstreuung. Dabei wird die Mobilität der Partikel im elektrischen Feld ermittelt als Parameter für die elektrostatische Stabilität einer Dispersion. Für die Messungen wurden die Proben in einer 1:1.000-Verdünnung in Wasser in einer Omegaküvette analysiert.

Rheologie

Die Viskositätskurve und der 3ITT Test wurden mit dem luftlagerbasierten Modular Compact Rheometer (MCR) von Anton Paar gemessen. Die Proben wurden mit einem Platte/Platte Messsystem PP50 bei 20 °C und einem Spaltabstand von 1 mm gemessen. Der verwendete Scherratenbereich wurde von 1 s-1 bis 100 s-1 gewählt, um den Beschichtungsschritt nachzustellen.

Als Nächstes wurde der Strukturwiederaufbau mithilfe des 3-Intervall-Thixotropie-Tests (3ITT) beschrieben. Hier wird der Beschichtungsvorgang anhand von drei charakteristischen Intervallen simuliert.

Intervall 1 misst die Struktur der Probe in Ruhe, hier bei Scherrate 1 s-1 für 60 s. Intervall 2 simuliert die hohen Scherraten, wie sie beim Aufbringen auftreten. Die hohen Scherraten (hier 100 s-1 für 5 s) führen zu einer Zerstörung der inneren Struktur der Probe. Intervall 3 misst den Strukturwiederaufbau der Probe bei geringer Belastung, hier bei Scherrate 1 s-1 für 120 s.

Mechanische Charakterisierung

Für die Untersuchung der Schichthaftung wurden Scratchtests mit dem Anton Paar MCT3 durchgeführt. Als Indenter wurde ein s.g. Wedge Blade verwendet, da die Schichten sehr weich waren. Folgende Messparameter wurden angewendet:

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  • Lastbereich: 0,03 N bis 1,5 N
  • Auftragsrate: 1,5 N/min
  • Länge: 5 mm
  • Linearer Scratch
  • Pro Probe 10 Scratches

Einfluss der Dispergierung

Abb.2: Partikelgrößenverteilungen der Proben A (schwarz) und B (rot) nach Volumen gewichtet.
Abb.2: Partikelgrößenverteilungen der Proben A (schwarz) und B (rot) nach Volumen gewichtet.
(Bild: Anton Paar)

Beide Proben wurden bezüglich der Partikelgröße untersucht. Die ermittelten Partikelgrößenverteilungen sind in Abbildung 2 dargestellt. Probe A zeigt deutlich kleinere Partikel mit einem D50 (50 % der Partikel sind kleiner als dieser Wert) von 10,7 µm und einem D90 von 30,5 µm. Probe B hat im Vergleich einen D50 bei 33,0 µm und einen D90 bei 89,5 µm. Die Verteilungsbreite (D90-D10/D50) ist hingegen ähnlich.

Auch bei Betrachtung von Fein- und Grobanteilen sind deutliche Unterschiede sichtbar:

  • Partikel unter 10 µm: 48 % bei Probe A; 10 % bei Probe B
  • Partikel größer 100 µm: 0 % bei Probe A; 7,5 % bei Probe B

Bei den Messreihen war zudem erkennbar, dass Probe A nur marginale Unterschiede in der Partikelgrößenverteilung zeigt, bei der Messung ohne und mit Ultraschall. Probe B hingegen verändert sich stark bei Ultraschalleinfluss (D50 sinkt von 58 µm auf 33 µm). Dies ist ein erster Hinweis auf eine schlechtere Stabilität der Probe.

Tabelle 1: Daten der Partikelanalyse in der Übersicht
Tabelle 1: Daten der Partikelanalyse in der Übersicht
(Bild: Anton Paar)

Weitere Untersuchungen zur Stabilität wurden über die Zetapotenzialanalyse durchgeführt. Bei gleicher Verdünnung und ca. pH 7 wurden die Beträge verglichen. Beide Proben weisen ein negatives Zetapotenzial auf, wie es für hydrophobe Oberflächen typisch ist. Unterschiede durch die verschiedenen Zusammensetzungen sind nicht erkennbar. Dies ist ein Beweis, dass die Stabilisierung von Probe A nicht elektrostatisch erfolgt, sondern rein sterisch. Die Daten sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Verarbeitbarkeit und Fließverhalten

Abb.3: Fließkurven der Proben A (schwarz) und B (rot).
Abb.3: Fließkurven der Proben A (schwarz) und B (rot).
(Bild: Anton Paar)

Wie aus den in Abbildung 3 gezeigten Viskositätskurven hervorgeht, sind beide Proben scherverdünnend. Also ist die Viskosität unter Belastung verhältnismäßig niedriger als in Ruhe, was wiederum bedeutet, dass weniger Energie für Verarbeitung und Transport benötigt wird.

Abb.4: Mittels Charakterisierungsmethoden lässt sich die Verarbeitung vom Graphen-Pulver über die Dispersion bis zur fertigen Schicht verfolgen.
Abb.4: Mittels Charakterisierungsmethoden lässt sich die Verarbeitung vom Graphen-Pulver über die Dispersion bis zur fertigen Schicht verfolgen.
(Bild: Anton Paar)

Probe A zeigt über den gesamten Scherratenbereich eine um Faktor 2 bis 3,5 höhere Viskosität. Das kann damit begründet werden, dass der Feinanteil an Partikeln höher ist, im Vergleich zu Probe B. Dadurch ist die verfügbare Oberfläche größer (also mehr Kontaktfläche vorhanden), wodurch mehr Reibung bzw. Anziehungskräfte vorhanden sind. Es bildet sich also eine stärkere Struktur, die u. a. ein unerwünschtes Ablaufverhalten unterdrücken könnte.

Abb.5: Viskosität während 3ITT für die Proben A (schwarz) und B (rot).
Abb.5: Viskosität während 3ITT für die Proben A (schwarz) und B (rot).
(Bild: Anton Paar)

Beim Strukturwiederaufbautest in Abbildung 5 zeigt Probe B einen quasi instantanen Wiederaufbau. Dies ist bei Dispersionen für die Verwendung in Beschichtungen nicht unbedingt erwünscht, da eine ungleichmäßige Schicht bzw. Deckung der Oberfläche die Folge sein kann. Probe A hat im Vergleich einen messbar längeren Wiederaufbau, der etwa 20 Sekunden dauert.

Zur Begründung kann die höhere Komplexität der erreichten Struktur dienen, auf die auch die Partikelgrößenverteilung hindeutet. Durch den vergleichsmäßig langsamen Wiederaufbau kann eine gleichmäßige Bedeckung der Oberfläche erreicht werden, während die Struktur der Probe ein zu starkes Verlaufen vermeidet.

Mechanische Oberflächenanalyse

Aus den Dispersionen der Proben A und B wurden Schichten hergestellt und deren Haftung analysiert.

Bei der Schichthaftung sind kritische Kräfte (Critical Loads, LC) entscheidend. Hier werden bis zu zwei LC unterschieden: Auftreten deutlich sichtbarer Schäden werden als LC2 bezeichnet und vollständige Ablösung der Schicht als LC3.

Abb.6: Oben Probe A, unten Probe B. Mit Markierungen für LC2 und LC3.
Abb.6: Oben Probe A, unten Probe B. Mit Markierungen für LC2 und LC3.
(Bild: Anton Paar)

Die Beurteilung erfolgt optisch (s. Abb. 6). Folgende Werte wurden für die Proben A und B ermittelt:

Schichtprobe A:

  • LC2A = 0,40 ± 0,04 N
  • LC3A = 0,52 ± 0,06 N

Schichtprobe B:

  • LC2B = 0,91 ± 0,26 N
  • LC3B = 1,49 ± 0,39 N

Im Vergleich zeigt sich, dass die Schicht der Dispersion A mit geringeren Kräften abgelöst werden kann als die Schicht der Dispersion B. Die Schicht der Probe B hat eine deutlich rauere Oberfläche, als die Schicht der Probe A. Der Einfluss der Rauheit zeigt sich v. a. in den Werten der Mittelwertabweichung, welche für Schicht B mit ca. 30 % des Mittelwertes sehr groß ist. Die Rauheit ist v. a. mit dem Anteil der Pulverpartikel >100 µm zu erklären.

Der Qualität der Dispersionen, und damit die Qualität der Schichthaftung, ist daher mit dem Scratchtest gut analysierbar und als Qualitätsmerkmal nutzbar.

Fazit

Zwischen den Dispersionen A und B, aber auch zwischen den Schichten A und B, konnten deutliche Unterschiede über schnelle und einfache Charakterisierungsmethoden gezeigt werden.

Um leitfähige Beschichtungen für smarte Kleidungsstücken zu erzeugen, wurde Graphen in Konzentrationen bis zu 35 Gewichtsprozent in eine wässrige Polyurethan-Dispersion eingearbeitet (A und B) und Widerstände von 4⋅101 Ω erzeugt

Probe A zeigt eine bessere Dispergierung (kleinere Partikel) und einen verzögerten Strukturaufbau, was für die Verarbeitung der Beschichtung erwünscht ist. Die dadurch erreichte Homogenität zeigt sich rein optisch, aber auch in den finalen Schichteigenschaften. Die mit Dispersion A erzeugte Beschichtung hat Potenzial als Sensor in smarten Kleidungsstücken Körperfunktionen, wie Körpertemperatur und Puls zu messen.

* Vanessa Fronk, Applikationsspezialistin für Partikelanalyse, Anton Paar Germany, Ostfildern **Andreas Schneider, Europäisches Zentrum für Dispersionstechnologien (EZD), SKZ-KFE, Selb

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