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Körperliche Fitness als Demenz-Prävention Sportler haben größere Gehirne

Autor / Redakteur: Dr. Marcus Neitzert* / Christian Lüttmann |

Der Begriff „Gehirnjogging“ meint verschiedene Formen von Gedächtnistraining, mit denen man die Leistung des Gehirns fördern soll. Doch auch das klassische Joggen im Park kann sich positiv auf unser Denkorgan auswirken. So zeigt eine aktuelle Studie einen Zusammenhang zwischen körperlicher Fitness und Gehirngröße. Ein Beweis für den gehirnfördernden Effekt von Sport steht allerdings noch aus.

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Körperliche Fitness und Gehirngröße hägen einer aktuellen Studie nach zusammen (Symbolbild)
Körperliche Fitness und Gehirngröße hägen einer aktuellen Studie nach zusammen (Symbolbild)
(Bild: gemeinfrei, skeeze / Pixabay )

Bonn, Greifswald – Angesichts steigender Lebenserwartung entwickelt sich Demenz zu einer der größten Herausforderungen der medizinischen Versorgung. „Körperliche Inaktivität ist ein Risikofaktor für Demenz. Dagegen scheinen körperliche Fitness und regelmäßiger Sport vorbeugende Wirkung zu haben. Diverse Studien deuten darauf hin. Die Mechanismen dahinter sind jedoch unklar“, sagt Prof. Hans Jörgen Grabe, Forschungsgruppenleiter am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Rostock/Greifswald und Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Greifswald (UMG).

Gemeinsam mit seinem Team hat Grabe nun mit Daten einer großen Gesundheitsstudie ausgewertet und untersucht, ob körperliche Fitness in Zusammenhang mit dem Hirnvolumen steht. Die zugrundeliegende SHIP-Studie (Study of Health in Pomerania) befasst sich mit Faktoren für Gesundheit und Krankheit in der Bevölkerung. Mehrere tausend Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern nahmen daran teil.

Fit auf dem Rad – Fit im Kopf

Für die aktuelle Auswertung wurden Daten von 2103 Frauen und Männern im Alter zwischen 21 bis 84 Jahren berücksichtigt. Diese Personen hatten für die Studie an einem Belastungstest auf dem Fahrrad-Ergometer sowie einigen MRT-Untersuchungen teilgenommen.

Über die ein- und ausgeatmete Luft bei Höchstbelastung bestimmten die Forscher den Trainingszustand des Herz-Kreislauf-Systems der Probanden und verglichen ihn in einer statistischen Analyse mit den MRT-Daten. Dabei zeigte sich tatsächlich ein Trend. „Wir haben einen positiven Zusammenhang zwischen körperlicher Leistungsfähigkeit und Hirnvolumen gefunden: je besser die körperliche Fitness, umso größer das Hirnvolumen“, fasst Dr. Katharina Wittfeld zusammen, Erstautorin der aktuellen Arbeit.

„Der Effekt betraf nicht nur das Gesamtvolumen, sondern auch einzelne Hirnbereiche, die für das Gedächtnis sowie für emotionales und belohnungsbezogenes Verhalten wichtig sind. Mit dem Hippocampus ist auch eine Hirnregion dabei, die bei einer Alzheimer-Erkrankung involviert ist. Auch hier sehen wir, dass körperlich fitte Personen tendenziell einen größeren Hippocampus aufweisen, als Personen, die weniger fit sind“, führt die DZNE-Wissenschaftlerin aus.

Gute Fitness oder großes Hirn – was kommt zuerst?

Die aktuellen Ergebnisse legen nahe, dass sich eine gute körperliche Fitness positiv auf die Gehirngesundheit auswirkt und den altersbedingten Abbau der Hirnmasse verlangsamen könnte. Sie würden allerdings nicht beweisen, dass Sport das Hirnvolumen tatsächlich vergrößere, wie die Forscher betonen. „Der statistische Zusammenhang zwischen Fitness und Hirnvolumen, den wir festgestellt haben, sagt nichts über die Ursachen“, sagt Grabe. So habe man weder etwaige sportliche Aktivitäten der Versuchsteilnehmer erfasst, noch untersucht, ob sich durch Training über längere Zeiträume das Hirnvolumen verändere.

„Von den Probanden wurde nur der jeweilige Ist-Zustand festgehalten. Außerdem stehen wir vor einem Henne-Ei-Problem. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Größe mancher Hirnareale in der Weise auf die Hirnfunktion auswirkt, dass die Betreffenden besonders motiviert sind, Sport zu treiben und deshalb körperlich fitter sind. Dann wäre nicht Sport die Ursache für ein vergrößertes Hirnvolumen, es wäre genau umgekehrt.“

Besonders ältere Menschen könnten profitieren

Andere Studien legen gleichwohl nahe, dass regelmäßiges körperliches Training das Hirnvolumen vergrößern kann. „Durch Sport werden erwiesenermaßen körpereigene Substanzen freigesetzt, die dem Verlust von Nervenzellen entgegenwirken können. Außerdem gibt es Hinweise dafür, dass körperliche Aktivität die Neubildung von Nervenzellen anregen kann. Beide Phänomene könnten die Auswirkungen auf das Hirnvolumen, die wir und ähnliche Studien nachgewiesen haben, möglicherweise erklären“, sagt Grabe.

Die aktuelle Studie fand einen Zusammenhang zwischen körperlicher Fitness und Hirnvolumen nicht nur bei jungen Menschen, sondern auch bei älteren Erwachsenen. Diese Beobachtung hält Grabe für besonders bedeutsam: „Dies deutet darauf hin, dass die Förderung körperlicher Fitness vielleicht sogar in späten Lebensjahren dazu beitragen könnte, Hirnmasse zu erhalten und somit auch im Kopf möglichst lange fit zu bleiben.“

Originalpublikation: Katharina Wittfeld et al.: Cardiorespiratory Fitness and Gray Matter Volume in the Temporal, Frontal, and Cerebellar Regions in the General Population, Mayo Clinic Proceedings Volume 95, Issue 1, Pages 44-56, January 2020; DOI: 10.1016/j.mayocp.2019.05.030

* Dr. M. Neitzert, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), 53175 Bonn

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