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Schlaganfall Studie liefert neue Ergebnisse für die Schlaganfall-Forschung

Redakteur: Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Wissenschaftler der Universitäten Münster, Bern, Berlin, Freiburg, Tübingen und Frankfurt haben in einer Studie neue Erkenntnisse über die Ursachen des Schlaganfalls gewonnen. Diese Ergebnisse erfordern eine vollständig neue Untersuchung der tatsächlichen Ursachen für das Absterben der Nervenzellen nach einem Schlaganfall und eröffnen somit neue Ansätze für die Behandlung des Schlaganfalls.

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Ein Blutgefäß im Gehirn: Entgegen der gängigen Lehrmeinung dringen die neutrophilen Granulozyten (rot) nicht in das Gehirngewebe ein.
Ein Blutgefäß im Gehirn: Entgegen der gängigen Lehrmeinung dringen die neutrophilen Granulozyten (rot) nicht in das Gehirngewebe ein.
(Bild: WWU - Lydia Sorokin)

Münster – Um die Rolle der Entzündungsreaktion nach einem Schlaganfall einschätzen zu können, konzentrierten sich das Forscher-Team in seinen Untersuchungen auf den Einfluss einer Gruppe von Immunzellen, den neutrophilen Granulozyten, die Teil der schnellen Immunantwort bei Infektionen und Traumata sind.

Nach gängiger Lehrmeinung sind diese Immunzellen besonders schädlich, da man bislang davon ausging, dass sie nach einem Schlaganfall in das Gehirn einwandern und dort die Nervenzellen zerstören. Jetzt gelang erstmals der Nachweis, dass neutrophile Granulozyten nach einem Schlaganfall in den Blutgefäßen des Gehirns steckenbleiben und somit nicht bis zu den Nervenzellen vordringen.

Schlaganfall-Therapie neu überdenken

Auch Prof. Dr. Lydia Sorokin, die zu den Autoren der Studie zählt, ist davon überzeugt, dass „die Schlaganfall-Therapie jetzt neu überdacht werden muss“. Die Direktorin des Instituts für Physiologische Chemie und Pathobiochemie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) führt den Erfolg der Studie vor allem auf die enge Zusammenarbeit von Grundlagenforschern und klinischen Kollegen zurück. „Ohne die Entwicklung neuer immunhistologischer Analyseverfahren im Tiermodell hätten wir nie feststellen können, dass neutrophile Granulozyten in den Blutgefäßen stecken bleiben; und ohne die Neuropathologen und Neurologen hätten wir die Bedeutung für den Schlaganfall nie beweisen können“, betont die Forscherin. Lydia Sorokin zählt auch zum Koordinatoren-Team des Exzellenzclusters „Cells in Motion“ (CIM) der Universität Münster, bei dem es vor allem darum geht, das Verhalten von Zellen in lebenden Organismen sichtbar zu machen und zu untersuchen. „Diese Studie zeigt, dass das CIM-Konzept der richtige Weg ist und zu neuen Ergebnissen verhilft.

200.000 Menschen jährlich erleiden in Deutschland einen Schlaganfall

Der Schlaganfall ist weltweit die dritthäufigste Todesursache und die häufigste Ursache für Behinderungen im Alter. In Deutschland erleiden jährlich etwa 200.000 Menschen einen Schlaganfall. Ein Schlaganfall entsteht, wenn die Durchblutung des Gehirns schlagartig unterbrochen wird. Am häufigsten geschieht dies durch ein Blutgerinnsel (Thrombus), das in einem Blutgefäß im Gehirn steckenbleibt und dieses verstopft. Verminderte Durchblutung des Gehirnbereichs, der durch dieses Blutgefäß versorgt wird, führt zu einem Mangel an Sauerstoff und Nährstoffen und innerhalb von Stunden zum Absterben der Nervenzellen in diesem Areal des Gehirns.

Selbst wenn durch rasche medizinische Versorgung in einer „Stroke-Unit“ die Blutversorgung im betroffenen Gefäß wiederhergestellt wird, sterben in den Tagen nach dem Schlaganfall weitere Nervenzellen im Gehirn ab. Dafür macht man eine Entzündungsreaktion verantwortlich. Die Zellen des Immunsystems versuchen nach einem Schlaganfall die toten Gehirnzellen zu entsorgen und wandern dazu aus dem Blutkreislauf in das betroffene Gehirnareal ein.

Bislang ging man davon aus, dass auch neutrophile Granulozyten in das Gehirn wandern und dort weitere Nervenzellen töten – diese Gruppe von Immunzellen ist darauf spezialisiert, bei Infektionen und Traumata schnell zu reagieren, Keime zu zerstören und tote Zellen zu fressen. Alle Therapieansätze, die das Auswandern der neutrophilen Granulozyten in das Gehirn blockieren oder ihre Funktion behindern, blieben allerdings bislang in klinischen Studien zur Behandlung des Schlaganfalls erfolglos.

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