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Wahrnehmbarkeit von Duftstoffen Warum intensiver Duft ein eher kurzes Vergnügen ist

Redakteur: Christian Lüttmann

Immer der Nase nach, so geht es schon von Geburt an, wenn Babys ihren Kopf dem Geruch der Muttermilch folgend zur Brust hinwenden. Ob wir eine Substanz riechen oder nicht, hängt nicht nur von der Konzentration in der Luft ab, sondern auch vom Stoff selbst. Forscher haben nun herausgefunden, was vielen stark riechenden Duftstoffen gemein ist: Ihre kurze Lebensdauer. Das ließe sich auch evolutionsgeschichtlich gut erklären.

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Die menschliche Nase kann einige organische Moleküle in extrem niedrigen Konzentrationen spüren, während andere kaum wahrnehmbar sind.
Die menschliche Nase kann einige organische Moleküle in extrem niedrigen Konzentrationen spüren, während andere kaum wahrnehmbar sind.
(Bild: gemeinfrei, Ruslan Zh / Unsplash)

Mainz – Der Geruchssinn ist einer unserer ältesten Sinne. Das Riechen war schon immer eine der wichtigsten Formen der Interaktion der Menschen mit der Umwelt und ein wesentliches Mittel, um Nahrung zu finden und Gefahren zu identifizieren. Die menschliche Nase nimmt jedoch nicht alle Duftstoffe in der Luft gleich gut wahr.

Duftstoffe sind zumeist flüchtige organische Verbindungen wie Alkohole, Aldehyde, Ester und Ketone. Buttersäureethylester beispielsweise bildet den typischen Ananasgeruch und kommt in vielen Früchten wie Erdbeeren und Äpfeln vor. Wir können einige dieser organischen Moleküle in extrem niedrigen Konzentrationen riechen, während andere für uns kaum wahrnehmbar sind. Zwei Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz haben jetzt eine mögliche Erklärung dafür gefunden.

Duftdatenbank näher untersucht

Den Forschern zufolge hat sich die Empfindlichkeit der Nase im Laufe der Zeit so entwickelt, dass Duftstoffe, die nur kurze Zeit in der Atmosphäre überleben, am besten wahrgenommen werden. Diese flüchtigen chemischen Verbindungen reagieren schnell mit anderen Elementen in der Atmosphäre. Dadurch werden sie abgebaut und verschwinden so wieder. Laut den Forschern hilft uns dies, die genaue Position von Nahrung oder Feinden zu bestimmen.

Die MPI-Forscher Akima Ringsdorf und Jonathan Williams machten diese überraschende Entdeckung, nachdem sie Daten der menschlichen Geruchsempfindlichkeit für organische Moleküle mit ihrer Lebensdauer in der Luft verglichen. Die umfangreiche, von japanischen Forschern erstellte Datenbank gibt an, ab welcher Konzentration man ein bestimmtes Molekül in der Luft riecht.

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Duftstoffdaten zur Wahrnehmbarkeit

2003 veröffentlichte ein japanisches Forscherteam einen Datensatz mit 223 Duftstoffen und deren Wahrnehmbarkeitsschwellen (olfaktorischer Schwellenwert, OTV). Diese Liste gibt einen Eindruck über die große Bandbreite der „Riechbarkeit“ verschiedener Stoffe und Stoffklassen. So ist die menschliche Nase rund tausend Mal sensibler für den Zitronenduftstoff Limonen (OTV = 0,038 ppm) als für den Nagellackentferner-typischen Geruch von Aceton (OTV = 42 ppm). Andere Beispiele für Duftstoffe, die die Nase schon in geringsten Mengen wahrnehmen kann, sind Indol (0,0003 ppm), was etwa in Jasminöl für den Blütenduft sorgt, sowie Dimetylsulfid (0,0022 ppm), ein Duftstoff, der sowohl in Stinkmorcheln als auch in Lauch, Käse und Bier vorkommt.

Wie Max-Planck-Forscher nun gezeigt haben, ist vielen Duftstoffen mit niedrigem OT-Wert eine kurze Lebenszeit in der Luft gemein.

Weiterführende Literatur: Nagata Y.: Measurement of odor threshold by triangle odor bag method. Odor measurement review, pp. 118-127, 2003

Kurzes Leben, intensiver Geruch

Die Wissenschaftler entdeckten eine klare Korrelation zwischen schnell reagierenden Duftstoffen mit kurzen Lebenszeiten und der Empfindlichkeit der Nase. Für einige Stoffgruppen wie Alkohole, Aldehyde, Ester und Ketone war diese Korrelation besonders auffällig. Diese Stoffe stammen in der Natur vor allem von Nahrungsmitteln wie Obst. Aber auch Stickstoff- und Schwefelverbindungen, die z.B. mit Urin und Feuer verbunden sind, weisen diesen Zusammenhang zwischen Lebensdauer und Wahrnehmbarkeitsschwelle auf.

„Man kann also vermuten, dass sich die Beziehung zwischen der Geruchsempfindlichkeit und der Lebensdauer dieser Duftstoffe möglicherweise durch die Fähigkeit entwickelt hat, Lebensmittel zu finden oder Gefahren zu vermeiden“, sagt Atmosphärenforscher Williams. „Ein guter Geruchssinn ist ein großer Vorteil bei der Suche nach Nahrung. Wenn man eine reife Frucht in einem dichten, dunklen Wald finden möchte, muss man in der Lage sein, die Geruchsquelle inmitten turbulenter Luftströme zu lokalisieren“ fährt Williams fort. Schnell reagierende Duftstoffe mit kurzer Lebensdauer sind intensiv und daher leichter zu verfolgen.

Riechbarkeit vorhersagen

Die Ergebnisse der Studie bedeuten auch, dass die Riechbarkeit eines bestimmten Moleküls durch die Messung seiner atmosphärischen Lebensdauer vorhergesagt werden kann und umgekehrt. „Die Korrelationen, die wir entdeckt haben, bestätigen die Hypothese, dass es einen Zusammenhang zwischen der Chemie der Atmosphäre und dem Geruchssinn gibt, an den noch niemand gedacht hat“, sagt Williams.

Originalpublikation: J. Williams and A. Ringsdorf: Human odour thresholds are tuned to atmospheric chemical lifetimes, Philosophical Transactions B, Volume 375, Issue 1800, 19 April 2020; DOI: 10.1098/rstb.2019.0274

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