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Entstehung organischer Säuren in der Atmosphäre Wie Ameisensäure in die Wolken kommt

Von Erhard Zeiss*

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Regen ist von Natur aus leicht säuerlich. Einen bisher unterschätzten Prozess der Säurebildung in Wolken hat nun ein Team von Jülicher Forschern genauer analysiert: die Entstehung von Ameisensäure. Das neue Wissen kann helfen, Wachstum von Aerosol-Partikeln und die Entwicklung von Wolken besser zu verstehen.

In Wolken lassen chemische Prozesse u. a. Ameisensäure entstehen.
In Wolken lassen chemische Prozesse u. a. Ameisensäure entstehen.
(Bild: gemeinfrei, sendi gibran / Unsplash)

Jülich – Besonders aus den 80er Jahren ist in Deutschland der „saure Regen“ bekannt. Seine Ursache: Die von Menschen in die Atmosphäre eingebrachten Stickstoffoxide und Schwefeloxide reagierten mit den Wassertröpfchen in den Wolken zu Schwefel- und Salpetersäure – der „saure Regen“ hat einen pH-Wert von etwa 4,2 bis 4,8 und liegt damit niedriger als der von reinem Regenwasser (5,5 bis 5,7), der sich durch den natürlichen Kohlenstoffdioxidgehalt der Atmosphäre ergibt. Doch der Säuregehalt der Atmosphäre wird nicht nur zunehmend von Kohlendioxid bestimmt, sondern auch von organischen Säuren wie Ameisensäure. Diese tragen zur Bildung von Aerosol-Partikeln als Vorläufer von Regentropfen bei und beeinflussen damit Wachstum von Wolken und den pH-Wert von Regenwasser.

Die Chemie von sauren Wolken

Folgenden Mechanismus haben Forscher des Forschungszentrums Jülich für die Bildung von Ameisensäure in der Atmosphäre herausgefunden (s. Grafik):

Effiziente mehrphasige Umwandlung von Formaldehyd in Ameisensäure, ermöglicht durch flüssige Wolkentröpfchen.
Effiziente mehrphasige Umwandlung von Formaldehyd in Ameisensäure, ermöglicht durch flüssige Wolkentröpfchen.
(Bild: DOI: 10.1038/s41586-021-03462-x /B. Franco et al. / CC BY 4.0)

Die Entstehung von Ameisensäure in den Wolken beginnt mit Formaldehyd (HCHO): Diese einfache chemische Verbindung entsteht auf natürlichem Wege durch Photooxidation von flüchtigen organischen Substanzen (VOC) wie Methanol (CH3OH).

In Wolkentröpfchen reagiert Formaldehyd mit den Wassermolekülen zu Methandiol (HOCH2OH). Der größte Teil davon wird ausgegast und reagiert mit OH-Radikalen, dem „Waschmittel der Atmosphäre“, in einem photochemischen Prozess zu Ameisensäure (HCOOH). Ein kleinerer Teil reagiert in der Flüssigphase des Wassertröpfchens ebenfalls zu Ameisensäure, die durch Regen verteilt wird.

Bis zu vier Mal mehr Ameisensäure als gedacht

In bisherigen Modellen der Atmosphärenchemie zur Säurebildung spielte Ameisensäure eine eher kleine Rolle – die chemischen Prozesse ihrer Entstehung waren zu wenig bekannt. Einem internationalen Team von Forschern unter Leitung des Forschungszentrums gelang es jetzt, diese Lücke zu schließen und den dominanten Mechanismus der Bildung von Ameisensäure zu entschlüsseln. Damit wird es möglich, Atmosphären- und Klimamodelle weiter zu verfeinern.

Dr. Bruno Franco und Dr. Domenico Taraborrelli vom Jülicher Institut für Troposphärenforschung zeigten, dass der Einfluss von Ameisensäure in der Atmosphäre offenbar größer ist als gedacht. „Durch die Oxidation von Methandiol in der Gasphase entsteht nach unseren Schätzungen bis zum Vierfachen dessen, was in anderen bekannten chemischen Prozessen in der Atmosphäre an Ameisensäure insgesamt entsteht“, sagt Taraborrelli. Diese Menge reduziere den pH-Wert von Wolken und Regenwasser um bis zu 0,3, was den Beitrag des organischen Kohlenstoffs zum natürlichen atmosphärischen Säuregehalt hervorhebt.

Modellierung mit Supercomputer

In einem ersten Schritt überprüften die Franco und Taraborrelli ihre Theorie mithilfe von „Messy“, einem globalen Modell der Atmosphärenchemie, und verglichen die Ergebnisse mit Fernerkundungsdaten. Für die Modellierung nutzten sie den Jülicher Supercomputer Jureca. Anschließende Experimente in der Jülicher Atmosphärensimulationskammer Saphir bestätigten die Ergebnisse. „Wir gehen davon aus, dass der aufgezeigte Mechanismus auch in wässrigen Aerosolen und für andere organische Säuren wie Oxalsäure gilt, die in den atmosphärenchemischen Modellen bisher nicht ausreichend berücksichtigt werden können“, sagt Taraborrelli. Das könnte u. a. dazu beitragen, das Wachstum von Aerosol-Partikeln und die Entwicklung von Wolken besser zu verstehen.

Originalpublikation: B. Franco, T. Blumenstock, C. Cho, L. Clarisse, C. Clerbaux, P-F. Coheur, M. de Mazière, I. de Smedt, H.-P. Dorn, T. Emmerichs, H. Fuchs, G. Gkatzelis, D. W. T. Griffith, S. Gromov, J. W. Hannigan, F. Hase, T. Hohaus, N. Jones, A. Kerkweg, A. Kiendler-Scharr, E. Lutsch, E. Mahieu, A. Novelli, I. Ortega, C. Paton-Walsh, M. Pommier, A. Pozzer, D. Reimer, S. Rosanka, R. Sander, M. Schneider, K. Strong, R. Tillmann, M. van Roozendael, L. Vereecken, C. Vigouroux, A. Wahner, D. Taraborrelli: Ubiquitous atmospheric production of organic acids mediated by cloud droplets, Nature volume 593, pages 233–237 (May 2021); DOI: 10.1038/s41586-021-03462-x

* E. Zeiss, Forschungszentrum Jülich, 52428 Jülich

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