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Weniger Luftverschmutzung durch Corona-Lockdown Wie die Corona-Pandemie auch Leben rettet

Redakteur: Christian Lüttmann

Der Lockdown als Maßnahme gegen das Coronavirus hat eine positive Nebenwirkung: Die Luftqualität ist vielerorts besser geworden. Dies hat laut einer neuen Studie sogar zu weniger vorzeitigen Todesfällen bei Erwachsenen und Asthmaerkrankungen bei Kindern geführt.

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Smog ist ein bekanntes Bild in chinesichen Großstädten. Durch die drastischen Quarantänemaßnahmen im Zuge der Corona-Eindämmung ist er vielerorts zurückgegangen (Symbolbild).
Smog ist ein bekanntes Bild in chinesichen Großstädten. Durch die drastischen Quarantänemaßnahmen im Zuge der Corona-Eindämmung ist er vielerorts zurückgegangen (Symbolbild).
(Bild: gemeinfrei, Holger Link / Unsplash)

Mainz – In den Nachrichten bestimmen meist Todeszahlen durch das neuartige Coronavirus die Schlagzeilen. Doch Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPI-C) haben sich mit einem anderen Blick der Pandemie zugewandt: Den verbesserten Luftwerten als Folge des Lockdowns in vielen Regionen der Welt. Die Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus haben quasi als Nebeneffekt auch zu verringerten Emissionen und weniger Luftverschmutzung geführt und den Forschern zufolge dadurch indirekt tausende Leben gerettet. „Wir schätzen, dass schon in den ersten zwei Wochen der Lockdowns weltweit etwa 7400 vorzeitige Todesfälle und 6600 Fälle von Asthma bei Kindern vermieden wurden“, sagt Jos Lelieveld, Direktor am MPI-C und einer der Autoren einer Studie, die sich derzeit noch im Begutachtungsprozess befindet.

Um die positive Nebenwirkung der Corona-Maßnahmen zu bewerten, haben die Wissenschaftler jeweils Daten aus den ersten zwei Wochen der Lockdowns in den jeweiligen Ländern ausgewertet. Allein in China und Indien wurden als Folge der geringeren Feinstaubwerte etwa 1400 bzw. 5300 vorzeitige Todesfälle vermieden. Da beide Länder sowohl die höchsten Verschmutzungswerte als auch die höchste Bevölkerungsdichte haben, profitieren sie am deutlichsten von den Schadstoffrückgängen. Luftverschmutzung, insbesondere mit Feinstaub belastete Luft, führt zu Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen und beeinflusst dadurch die Zahl vorzeitiger Todesfälle.

Saubere Luft könnte hunderttausende Leben retten

Die Forscher schätzen auch, dass weltweit 780.000 vorzeitige Todesfälle unter Erwachsenen und 1,6 Millionen Asthmafälle bei Kindern vermieden werden könnten. Die Voraussetzung wäre allerdings, dass die Schadstoffkonzentrationen in der Luft bis zum Ende des Jahres weiterhin niedrig blieben. Laut den Wissenschaftlern veranschaulichen diese Ergebnisse die potenziellen gesundheitlichen Vorteile, die sich aus einer verminderten Luftverschmutzung ergeben. „Wir wollen keinesfalls sagen, dass die aktuellen Einschränkungen für die Wirtschaft wünschenswert oder nachhaltig sind. Die aktuelle Situation zeigt aber die Bedeutung der oft übersehenen globalen Luftverschmutzungskrise“, sagt Zander Venter vom norwegischen Institut für Naturforschung in Oslo, Erstautor der Studie.

Satellitendaten zeigen Luftverbesserungen

Die Auswirkungen der erzwungenen Lockdowns ermittelten die Forscher, indem sie Daten von Satelliten und von über 10.000 Messstationen in 27 Ländern auswerteten, darunter verschiedene europäische Länder wie Deutschland und Spanien, aber auch aus China und Chile. Den Daten zufolge hat sich die Luftverschmutzung jeweils in den ersten beiden Wochen der Lockdowns im Mittel um etwa 20 Prozent verringert. Dabei stellte das Team in einigen Ländern einen deutlichen Rückgang der Stickstoffdioxid-, Ozon- und Feinstaubmengen in Bodennähe fest.

Um die Daten der Luftqualität mit den vorzeitigen Todesfällen in Verbindung zu bringen, bestimmten die Wissenschaftler zunächst die Belastung mit Stickstoffdioxid, Ozon und Feinstaub (PM2,5) in den jeweiligen Ländern. Anschließend berechneten sie mithilfe von epidemiologischen Methoden die tägliche Gesundheitsbelastung bezogen auf die Bevölkerungsdichte pro Land.

Längerfristig eingeschränkte Emissionen wünschenswert

Die Forscher wagten zudem ein Gedankenexperiment. Wie würde es sich auf durch Luftschadstoffe bedingte Krankheiten auswirken, wenn die Emissionswerte bis Jahresende auf dem Lockdown-Niveau blieben? Unter der Annahme weiterbestehender Einschränkungen leiteten sie ab, wie viele vermeidbare Todesfälle und neue Asthmaerkrankungen theoretisch bis zum Jahresende abgewendet werden könnten.

Da eine längerfristige Verminderung der Luftschadstoffe sich deutlich positiver auf die Gesundheit auswirken würde als nur eine zweiwöchige Reduktion, stiegen die Zahlen vermeidbarer vorzeitiger Todesfälle unter Erwachsenen und Asthmaerkrankungen bei Kindern bis zum Jahresende überproportional stark an auf die eingangs genannten 780.000 und 1,6 Millionen Asthmafälle.

Anreiz für stärkeren Klimaschutz

Ein andauernder Lockdown ist verständlicherweise keine realistische Maßnahme für bessere Luftqualität und weniger Asthmaerkrankungen. Aber die Daten der Forscher sprechen dafür, dass sich der Einsatz für geringere Schadstoffemissionen lohnt.

„Um die Luftverschmutzung auch nach der Coronakrise langfristig zu reduzieren, sollten wir den Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energieträger anstreben“, meint MPI-Forscher Lelieveld. „Das würde nicht nur die Gesundheit von Menschen weltweit verbessern, sondern mittelfristig auch das Klima schützen.“

Originalpublikation: Zander S Venter, Kristin Aunan, Sourangsu Chowdhury, Jos Lelieveld: COVID-19 lockdowns cause global air pollution declines with implications for public health risk, medRxiv preprint (2020); DOI: 10.1101/2020.04.10.20060673

(ID:46569279)