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„Eine gute Nachricht vorweg: Wir haben zwar Vibrionen in unseren Proben gefunden, allerdings haben sie sich nicht auf Plastik angereichert. Im Gegenteil: Wir konnten sogar zeigen, dass sie dort im Vergleich zu natürlichen Partikeln in geringeren Anzahlen vorkommen“, kommentiert Projektleiter Matthias Labrenz die Ergebnisse. „Dies passt zu Ergebnissen vorangegangener MikrOMIK-Studien. Die haben untersucht, ob Miesmuscheln und Wattwürmer, beides Organismen, die im Meer häufig und als natürliche Vibrionen-Träger bekannt sind, Mikroplastikpartikel in ihrem Verdauungstrakt mit Vibrionen anreichern. Dies war nicht der Fall“, so Labrenz weiter.
Bakteriengattung Sphingopyxis verstärkt auf Plastik angesiedelt
„Ein anderer Befund unserer aktuellen Freiland-Studie in Warnow und Ostsee verdient allerdings besondere Aufmerksamkeit“ fügt Sonja Oberbeckmann hinzu. „Im Klärwerk hat sich die Bakteriengattung Sphingopyxis verstärkt auf Plastik angesiedelt, die häufig Antibiotika-Resistenz ausbildet. Mikroplastik-Partikel sind also möglicherweise Hotspots für die Weitergabe von solch potenziell gefährlichen Resistenzen. In welchem Umfang dies geschieht und ob diese Prozesse ein Umweltrisiko darstellen, dazu haben wir gerade neue Untersuchungen gestartet“, so die Mikrobiologin. Das Forscherteam konnte auch andere Bakterien identifizieren, die sich vermutlich auf die Besiedlung von Plastik spezialisiert haben. „Interessant sind beispielsweise die Vertreter der Gattung Erythrobacter, denn sie können giftige polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe abbauen, die sich durch menschliche Aktivitäten weltweit in der Umwelt finden und die sich aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften verstärkt an Mikroplastik anlagern“, erläutert Oberbeckmann.
Ob sich auf Mikroplastik spezielle Bakteriengemeinschaften entwickeln oder nicht, hängt aber im Wesentlichen von den jeweiligen Umweltbedingungen ab. An den nährstoffreichen Stationen des Freilandexperiments habe man in den Biofilmen – egal ob auf Holz oder Kunststoff – viele der „üblichen Verdächtigen“ gefunden, die eine sesshafte Lebensweise auf Partikeln gegenüber dem Leben im Freiwasser bevorzugen, so Sonja Oberbeckmann. An vergleichsweise nährstoffarmen Stationen dagegen bildeten sich auf Mikroplastik Bakteriengemeinschaften, die sich von den natürlichen Gemeinschaften deutlich unterschieden. Ein endgültiges Fazit, ob Mikroplastik zusätzliche Gefahren durch die Besiedlung mit Bakterien birgt, können beide IOW-Forscher nicht ziehen. „Unsere Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass Plastikverschmutzung in nährstoffarmer Umgebung eine weitaus höhere ökologische Relevanz hat, als bisher vermutet. Denn dort wird tatsächlich die Entstehung spezieller Plastik-Bakterienpopulationen gefördert. Dies gilt insbesondere für die Plastikakkumulationsgebiete im Meer wie beispielsweise die riesigen Plastikstrudel im Atlantik“, so Sonja Oberbeckmann und Matthias Labrenz abschließend.
Ausgewählte Originalublikationen:
Oberbeckmann, S., Kreikemeyer, B., Labrenz, M. (2018): „Environmental Factors Support the Formation of Specific Bacterial Assemblages on Microplastics“, Frontiers in Microbiology 8:2709, doi.org/10.3389/fmicb.2017.02709
Kesy, K., Hentzsch, A., Klaeger, F., Oberbeckmann, S., Mothes, S., Labrenz, M. (2017): „Fate and stability of polyamide-associated bacterial assemblages after their passage through the digestive tract of the blue mussel Mytilus edulis“, Marine Pollution Bulletin 125, 132–138
Kesy, K., Oberbeckmann, S., Müller, F., Labrenz, M. (2016): „Polystyrene influences bacterial assemblages in Arenicola marina-populated aquatic environments in vitro“, Environmental Pollution 219, 219-227
* Dr. B. Hentzsch, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), 18119 Rostock
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