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Die Elefantenrüsselfisch-Kamera Bionik verschafft klaren Blick in trübem Wasser

Redakteur: Christian Lüttmann

Wir sehen mit Licht, der Elefantenrüsselsfisch mit Elektrizität. Diese ungewöhnliche Art der Wahrnehmung haben nun Zoologen der Universität Bonn imitiert. Das Ergebnis: Eine Kamera, die auch in trüben Gewässern Gegenstände finden kann.

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(v.l.) Prof. Dr. Gerhard von der Emde, Dr. Hendrik Herzog und Martin Gottwald mit der Kamera an einem Aquarium des Zoologischen Instituts der Universität Bonn.
(v.l.) Prof. Dr. Gerhard von der Emde, Dr. Hendrik Herzog und Martin Gottwald mit der Kamera an einem Aquarium des Zoologischen Instituts der Universität Bonn.
(Bild: Barbara Frommann/Uni Bonn)

Bonn – Im Dunkeln sehen ist dank Infrarotkameras kein Problem. Doch in trübem Wasser sind auch diese blind. Um bei der Suche nach Gegenständen auch in Abwasserrohren oder einem schwebstoffreichen See den Durchblick zu behalten, haben Zoologen der Universität Bonn nun eine Spezialkamera entwickelt. Vorbild für die neue Kameratechnik war die „Superkraft“ des afrikanischen Elefantenrüsselfisches (Gnathonemus petersii). Denn er sieht mit einer Art Elektrosinn selbst im Sand versteckte Beute.

Der Elektrosinn des Elefantenrüsselfischs

Elefantenrüsselfische sind nachtaktiv und können sich deshalb bei der Beutesuche nicht auf ihre Augen verlassen. Mit ihrem Schwanz erzeugen sie rund 80 Mal pro Sekunde kurze elektrische Pulse. Elektrorezeptoren auf ihrer Haut und insbesondere auf ihrem rüsselartigen Kinn messen, wie die Pulse von der Umgebung moduliert werden. Mit diesem Elektro-Sinn können die Fische Distanzen abschätzen, Formen und Materialien wahrnehmen und sogar zwischen lebendigen und toten Objekten unterscheiden. In Sekundenbruchteilen erkennen sie mithilfe der Elektro-Pulse, wo sich am Gewässergrund Zuckmückenlarven als ihre Lieblingsbeute verstecken.

Die Forscher um Prof. Dr. Gerhard von der Emde vom Zoologischen Institut der Universität Bonn erforschen schon seit vielen Jahren, wie der eigenartige Elektrosinn der Afrikanischen Elefantenrüsselfische funktioniert. Für die „aktive Elektroortung“ nutzen die Fische zwei verschiedene Typen von Elektrorezeptoren. Der eine misst nur die Intensität des Signals und der andere die Pulsform. „Wir konnten vor kurzem zeigen, dass der Fisch das Verhältnis der beiden Messwerte nutzt, um seine Beute zu identifizieren“, berichtet von der Emde. Dadurch werden ganz ähnlich wie auf der menschlichen Netzhaut „Farben“ erzeugt – aber nicht durch sichtbares Licht, sondern durch elektrische Signale.

Mehr zu den Erkenntnissen der Bonner Forscher über den Elektrosinn der Elefantenrüsselfische erfahren Sie hier:

Elektrosicht in Kamera übertragen

Nun hat die Grundlagenforschung der Bonner Zoologen den Weg in die Anwendung gefunden: Von der Emde hat gemeinsam mit dem Doktorand Martin Gottwald und Dr. Hendrik Herzog einen ersten Kamera-Prototyp nach dem Vorbild der aktiven Elektroortung des Elefantenrüsselfisches entwickelt. „Mit dieser ‚bionischen‘ elektrischen Kamera können ganz ohne Licht auch in trüber Umgebung ‚elektrische Bilder‘ von Objekten geschossen werden, die außerdem noch eine Analyse der elektrischen und räumlichen Eigenschaften der abgebildeten Gegenstände ermöglichen“, berichtet von der Emde.

Analog zum Elefantenrüsselfisch erzeugt die Kamera ein schwaches elektrisches Feld um sich herum und erfasst die elektrischen Bilder von Objekten in ihrer Umgebung mit mehreren Sensoren (Elektroden) auf ihrer Oberfläche. Wie die Forscher berichten, erkannte das Kamerasystem auf diese Weise verschiedene natürliche Objekte – wie etwa Fische, Pflanzen oder Holz – sowie künstliche Testgegenstände, wie zum Beispiel Kugeln oder Stäbe aus Aluminium oder Plastik. Dank der neuen Technologie ließen sich diese Gegenstände charakterisieren und vermessen. „Hierfür wurden die gleichen analytischen Parameter verwendet, die auch die Elefantenrüsselfische während der aktiven Elektroortung einsetzen“, sagt Herzog. So konnte zum Beispiel die Entfernung zum Objekt durch den Grad der Bildunschärfe ermittelt werden.

Objekte an elektrischen Umrissen erkennen

Belebte Objekte wie Fische und Pflanzen erzeugten unterschiedliche „elektrische Farben“ – genauso wie sie auch von den elektrischen Fischen erkannt werden. „Ergänzende Auswertungen zeigten, dass aus den elektrischen Bildern außerdem ‚elektrische Umrisse‘ der Messobjekte bestimmt werden konnten, welche ähnlich ihrer optischen Kontur Informationen über Form und Orientierung liefern können“, berichtet Erstautor Gottwald. All diese elektrischen Bildparameter werden im Gegensatz zu visuellen Messgrößen nicht durch eine trübe oder dunkle Umgebung beeinträchtigt. Wo herkömmliche Augen oder Kamerasysteme versagen, ermöglicht die Elektrokamera einen ungetrübten Blick.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass mit bionischen Methoden neuartige, elektrische Kamera-Systeme entwickelt werden könnten, welche zum Beispiel roboter- oder drohnengestützte Inspektionen in trüben Gewässern erleichtern. Außerdem sehen die Wissenschaftler vielseitige weitere Einsatzmöglichkeiten für elektrische Kameras, etwa bei der Materialkontrolle, der Geräteüberwachung bis hin zu medizinischen Anwendungen. Darüber hinaus kann die elektrische Kamera auch die biologische Grundlagenforschung unterstützen und dabei helfen, die Elektroortung der schwach-elektrischen Fische besser zu verstehen.

Originalpublikation: Martin Gottwald, Hendrik Herzog and Gerhard von der Emde: A bio-inspired electric camera for short-range object inspection in murky waters. Bioinspiration & Biomimetics, Volume 14, Number 3; DOI: 10.1088/1748-3190/ab08a6

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