Der Ozean als Kohlenstoffspeicher Kohlendioxid: Süßes Ende im Meer
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Algen binden große Mengen Kohlendioxid in Form von Zuckern und bringen so einen Teil des Kohlenstoffs auf den Grund des Meeres. Eine Forschergruppe aus Bremen hat nun untersucht, wie viel CO2 die Algen jährlich aus der Luft ziehen, und welche Bedeutung der daraus gewonnene Zucker für maritime Ökosysteme hat.

Bremen – Im lichtdurchfluteten Oberflächenwasser der Ozeane wandeln photosynthetisch aktive, sehr kleine Pflanzen wie Kieselalgen (Diatomeen) mehr Kohlendioxid in Biomasse um als die tropischen Regenwälder. Dabei binden Kieselalgen ebenso wie Pflanzen an Land Kohlendioxid als polymerische Kohlenhydrate – also als langkettige Zucker. Allerdings war es bislang noch unklar, wie viel Kohlendioxid über diesen Prozess im Meer gebunden werden kann.
Diese Wissenslücke interessierte die Mitglieder der Forschungsgruppe Marine Glykobiologie des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie und des Marum – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. Um sie zu schließen, bestimmten sie in den Bestandteilen von Mikroalgen die Konzentration des langkettigen Zuckers Laminarin, einem wichtigen Energieträger für diese Pflanzen.
So viel Kohlendioxid binden die Mikroalgen
Anhand von Mikroalgen aus dem Arktischen, Atlantischen und Pazifischen Ozean sowie aus der Nordsee schätzten die Forscher ab, dass im Durchschnitt rund 26 Prozent dieser Algen-Biomasse aus dem Zucker Laminarin bestehen. „Aus dieser Menge lässt sich ableiten, dass durch Photosynthese in der Ozeanoberfläche jährlich rund zwölf Gigatonnen Kohlenstoff in Form von Laminarin in Algen produziert werden“, sagt Stefan Becker, Erstautor der neuen Studie. „Das ist eine sehr große Menge, wenn man bedenkt, dass die Menschheit dem Global Carbon Budget 2019 zufolge im Jahr 2018 rund 11,5 Gigatonnen Kohlenstoff freigesetzt hat.“
Allerdings werde nur ein kleiner Teil des Kohlenstoffs, der durch Laminarin gebunden wird, der Atmosphäre dauerhaft entzogen. Durch natürliche Prozesse wird ein Großteil im Folgenden wieder freigesetzt. Insgesamt haben die Ozeane im Jahr 2018 rund 2,6 Gigatonnen Kohlenstoff dauerhaft aufgenommen. „Unsere Erkenntnisse weisen aber darauf hin, dass Zucker wie Laminarin auch wichtig für die dauerhafte Fixierung von Kohlenstoff im Meer sind“, sagt Becker.
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Treibhausgas
Wie Algen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen
So ist ein weiteres Ergebnis der Forschung, dass der Zucker rund die Hälfte des organischen Kohlenstoffs in sinkenden Kieselalgen-Partikeln ausmacht. „Laminarin spielt dadurch eine wichtige Rolle beim Transport von Kohlenstoff von der Oberfläche des Ozeans in die Tiefe“, sagt Jan-Hendrik Hehemann, Leiter der Forschungsgruppe Marine Glykobiologie. „Ob Laminarin hier langfristig deponiert wird, ist nun eine wichtige weitergehende Fragestellung, die wir angehen werden.“
Zuckergehalt in Meerespflanzen schwankt über den Tag
Weiterhin zeigen die Forschungsergebnisse die hohe Bedeutung von Laminarin für die Ökologie der Ozeane. Mikroalgen bilden die Basis der marinen Nahrungskette; die Konzentration des Zuckers ist in den kleinen Pflanzen aber nicht immer gleich. So stellten die Wissenschaftler aus Bremen Schwankungen im Tagesverlauf fest. „Die Zuckerkonzentration in den Zellen der Algen steigt während des Tages stark an und sinkt über den Verlauf der Nacht, ähnlich wie die Jahreszeiten-abhängige Energiespeicherung in stärkehaltigen Früchten oder Pflanzenwurzeln an Land“, sagt Gruppenleiter Hehemann. „Dies hat möglicherweise einen großen Einfluss auf das Fraßverhalten von Tieren im Meer. Denn die Tageszeit bestimmt, wie viel Zucker – und damit Energie – die Tiere beim Fressen aufnehmen.“
So erfüllt Laminarin wichtige ökologische Funktionen im Ozean und die großen Mengen des Zuckers, die im Ozean gefunden wurden, unterstreichen die hohe Bedeutung des Stoffes im globalen Kohlenstoffkreislauf.
Originalpublikation: Stefan Becker, Jan Tebben, Sarah Coffinet, Karen Wiltshire, Morten Hvitfeldt Iversen, Tilmann Harder, Kai-Uwe Hinrichs, and Jan-Hendrik Hehemann: Laminarin is a major molecule in the marine carbon cycle, PNAS, March 2020, DOI: 10.1073/pnas.1917001117
* K. Matthes, MPI für Marine Mikrobiologie, 28359 Bremen
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