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Biomineralisation Perfektion aus Makeln: Wie Perlmutt entsteht

Redakteur: Christian Lüttmann |

Perlmutt ist ein nahezu perfekt strukturiertes Biomineral, welches Weichtiere vor Fressfeinden schützt. Dabei ist es in der Anfangsphase seiner Entstehung von Defekten durchzogen. Wie diese sich quasi von selbst auflösen, hat nun ein Forscherteam der Technische Universität Dresden aufgedeckt.

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Perlmutt besitzt eine hochgeordnete Mikrostruktur, die den prächtigen Farbglanz erzeugt.
Perlmutt besitzt eine hochgeordnete Mikrostruktur, die den prächtigen Farbglanz erzeugt.
(Bild: gemeinfrei, Daniele Levis Pelusi / Unsplash)

Dresden, Grenoble/Frankreich – Weichtiere bauen Schalen, um sich vor Raubtieren zu schützen. Dazu produzieren sie aus Calciumcarbonat und organischen Zusätzen das so genannte Perlmutt, das für seinen farbigen Glanz bei Lichteinfall bekannt ist. Die komplizierte, sehr regelmäßige Struktur des Perlmuttes sorgt aber nicht nur für das Farbspiel in vielen Muschelschalen, sondern auch für die Stärke dieses Materials.

Für den Aufbau des Perlmutts, das je nach Art eine Länge von mehreren zehn Zentimetern erreichen kann, lagert eine Vielzahl von Einzellern das Baumaterial an mehreren verschiedenen Orten gleichzeitig ab. Wie genau diese hochperiodische und einheitliche Struktur aus der anfänglichen Unordnung hervorgeht, war bisher nicht bekannt. Nun haben Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden (TU Dresden) und der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) gezeigt, wie die Selbstorganisation im Perlmutt abläuft und zu der perfekten periodischen Struktur führt.

Defekte im Perlmutt untersucht

Die Perlmuttbildung beginnt unkoordiniert mit den Zellen, die das Material gleichzeitig an verschiedenen Orten deponieren. Daher ist die frühe Perlmuttstruktur noch nicht sehr regelmäßig und voller Defekte. „Gleich zu Beginn ist das geschichtete mineralisch-organische Gewebe voller struktureller Fehler, die sich wie eine Helix durch mehrere Schichten ausbreiten. Tatsächlich sehen sie wie eine Wendeltreppe aus, die entweder rechts- oder linkshändig orientiert ist“, sagt Dr. Igor Zlotnikov, Forschungsgruppenleiter am B Cube – Center for Molecular Bioengineering an der TU Dresden. Welche Rolle diese Defekte aber bei der Bildung eines periodischen Gewebes wie Perlmutt haben, war bisher nicht bekannt. Schließlich ist das reife Perlmutt defektfrei, mit einer regelmäßigen, gleichmäßigen Struktur. „Wie konnte aus einer solchen Unordnung Perfektion entstehen“, fragten sich Zlotnikov und sein Team.

Mithilfe der Synchrotron-basierten holographischen Röntgen-Nanotomographie an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble untersuchten die Forscher das Wachstum des Perlmutts von der frühen Phase bis zum reifen Perlmutt. „Perlmutt ist eine extrem feine Struktur mit organischen Merkmalen von weniger als 50 nm Größe. Die Ausstattung an der ESFR bot uns eine beispiellose Möglichkeit, Perlmutt in drei Dimensionen sichtbar zu machen“, sagt Zlotnikov.

Strukturfehler löschen sich gegenseitig aus

Zur Analyse der Daten entwickelten die Forscher einen Segmentierungsalgorithmus mit neuronalen Netzen und trainierten ihn darauf, verschiedene Perlmuttschichten zu trennen. Auf diese Weise konnten sie verfolgen, was mit den strukturellen Defekten passiert, wenn Perlmutt wächst: Defekte mit entgegengesetzter Schraubenrichtung wurden aus großen Entfernungen voneinander angezogen. Die rechtshändigen und linkshändigen Defekte bewegten sich durch die Struktur, bis sie sich trafen und sich gegenseitig aufhoben. Diese Ereignisse führten zu einer gewebeweiten Synchronisation. Im Laufe der Zeit entwickelte sich so eine vollkommen regelmäßige und defektfreie Struktur.

Periodische, perlmuttähnliche Strukturen werden von vielen verschiedenen Tierarten erzeugt. Die Forscher vermuten, dass der neu entdeckte Mechanismus der sich gegenseitig aufhebenden Defekte nicht nur die Bildung von Perlmutt, sondern auch anderer biogener Strukturen antreiben könnte.

Originalpublikation: Maksim Beliaev, Dana Zoellner, Alexandra Pacureanu, Paul Zasklansky, and Igor Zlotnikov: Dynamics of Topological Defects and Structural Synchronization in a Forming Periodic Tissue, Nature Physics (Januar 2021), DOI: 10.1038/s41567-020-01069-z

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