Chemische Kommunikation im Fichtenwald Tödliche Symbiose für Fichten: wie ein Pilz Borkenkäfer lenkt
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Aktuell fesselt die HBO-Serie „The Last of Us“ Millionen Zuschauer, in der ein Pilz Menschen infiziert und in eine Art Zombie verwandelt. Während dies zum Glück düstere Fiktion ist, bedroht ein anderer Pilz sehr real einen entscheidenden Teil unserer Welt: nämlich den Wald. Wie eine neue Studie zeigt, koordiniert er durch chemische Signale den Befall von Fichten durch den Borkenkäfer.

Sie sind die Nemesis der Fichte und bringen ganze Wälder zu Fall: Borkenkäfer. Wie das Statistische Bundesamt im Juli 2022 mittteilte, waren im Jahr zuvor mehr als 80 Prozent der Bäume, die gefällt werden mussten, von Insekten geschädigt. Einer der Hauptschädlinge ist der Buchdrucker „Ips typographus“, der auch Großer Achtzähniger Fichtenborkenkäfer genannt wird. Der nur wenige Millimeter lange Käfer traf beispielsweise im Thüringer Wald und im Harz auf Fichten-Monokulturen, die durch hohe Temperaturen und anhaltende Dürreperioden bereits geschwächt waren, was eine Ausbreitung des Schädlings erleichterte und innerhalb von kurzer Zeit zum Absterben riesiger Waldbestände führte.
Dass die chemische Kommunikation beim Massenbefall der Borkenkäfer eine wichtige Rolle spielt, ist Forschenden schon länger bekannt. Die Käfer suchen sich zunächst einen geeigneten Baum aus und geben dann so genannte Aggregations- oder Versammlungspheromone ab. Diese Pheromone locken in der Nähe befindliche Artgenossen an, sich einem Massenbefall anzuschließen, der die Verteidigung des Baumes überwindet. Fichten, deren Abwehrkräfte durch verschiedene Stressfaktoren bereits geschwächt sind, fallen den Käfern leichter zum Opfer.
Eine zerstörerische Symbiose
Fichtenborkenkäfer sind jedoch nicht allein in der Lage, das hölzerne Bollwerk ihrer bevorzugten Nahrungsquelle einzunehmen. Sie brauchen verbündete Pilze, um sich erfolgreich in den Bäumen vermehren zu können. Die Pilze sind Ektosymbionten, Symbiosepartner, die außerhalb der Käfer leben. Jede neue Käfergeneration muss ihre Symbiosepilze finden und zu einem neuen Wirtsbaum tragen.
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Ein internationales Forschungsteam um Dr. Dineshkumar Kandasamy (inzwischen an der schwedischen Universität Lund) und Prof. Dr. Jonathan Gershenzon vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena berichtet in einer neuen Studie, dass der Fichtenborkenkäfer seine Pilzpartner anhand der flüchtigen chemischen Verbindungen finden kann, die die Pilze beim Abbau von Fichtenharzbestandteilen freisetzen. „Wir hatten bereits zeigen können, dass mit den Borkenkäfern assoziierte Pilze, die auf einem Standardmedium gewachsen waren, für Borkenkäfer attraktiv waren. Nun wollten wir wissen, was passieren würde, wenn wir die Pilze auf einem natürlicheren Medium mit Fichtenrindenpulver wachsen ließen. Würde das die Käfer anlocken? Wenn ja, welche chemischen Verbindungen wären für die Attraktivität verantwortlich und woher stammten sie?“, erläutert Erstautor Kandasamy die Ausgangsfragen der Studie.
Pilze wandeln Selbstverteidigung der Fichten in Käfer-Lockduft um
Fichtenborkenkäfer sind mit Pilzpartnern verschiedener Gattungen assoziiert. Da der Pilz „Grosmannia penicillata“ besonders gut auf dem Fichtenrindenmedium wuchs und mehr flüchtige Verbindungen produzierte als die meisten anderen getesteten Pilze, konzentrierten die Wissenschaftler ihre Untersuchungen auf diesen Pilz. Die Forscher richteten spezielle Versuchsarenen ein, in denen sie testen konnten, ob die Käfer von flüchtigen Verbindungen, die von den Pilzen abgegeben wurden, angezogen werden.
Und tatsächlich lockten die Pilze, die auf einem Medium mit Fichtenrindenpulver wuchsen, Borkenkäfer an. Doch nicht nur das: Die Forscher fanden zudem heraus, dass Pilze so genannte Terpenverbindungen aus dem Fichtenharz in sauerstoffhaltige Derivate umwandeln und dass einige der so produzierten Stoffwechselprodukte für Borkenkäfer besonders attraktiv sind. „Für uns war damit klar, dass diese flüchtigen Stoffe als chemische Signale dienen, die die Symbiose zwischen Borkenkäfern und den mit ihnen assoziierten Pilzen aufrechterhalten“, fasst Kandasamy zusammen.
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Nachwachsende Rohstoffe
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Die Forscher fanden auch heraus, dass krankheitserregende und somit für die Käfer schädliche Pilze ebenfalls Fichtenharzverbindungen verstoffwechseln können. Die dabei entstehenden Derivate sind allerdings, anders als die Stoffwechselprodukte der Symbiose-Pilze, für Borkenkäfer nicht attraktiv. Borkenkäfer können also mit ihrem Geruchssinn sehr gut erkennen, ob die anwesenden Pilze für sie gut oder schlecht sind. Besonders überrascht waren die Wissenschaftler über eine weitere Erkenntnis aus Verhaltensbeobachtungen. So scheint es, dass die Pilzpartner die Käfer nicht nur anlockten, sondern auch zum Tunnelbau stimulierten. Den Pilzen käme demnach eine größere Bedeutung beim Borkenkäfer-Befall von Fichten zu als bisher angenommen.
Geruchstest mit dem Borkenkäfer
Einen weiteren Beleg für die Bedeutung der chemischen Derivate aus dem Pilzstoffwechsel, die bereits von den Pilzen befallene Fichten für Borkenkäfer noch attraktiver machen, lieferten elektrophysiologische Untersuchungen zur Geruchswahrnehmung dieser Duftstoffe durch die Käfer. Dabei wurde die Reaktion einzelner Geruchssinneshaare auf den Käferantennen auf verschiedene Düfte getestet. Die Forscher zeigten, dass die Borkenkäfer bestimmte, in den Sinneshaaren beherbergte Geruchssinneszellen besitzen, die auf die Wahrnehmung von sauerstoffhaltigen Monoterpenen spezialisiert sind, die von den Pilzen abgegeben werden.
„Vermutlich sind die symbiotischen Pilze von entscheidender Bedeutung, um den Angriff der Käfer zu unterstützen und den Befall zu verstärken“, sagt der MPI-Forscher Gershenzon „Die Pilze tragen dazu bei, den Wirtsbaum abzutöten, seine Abwehrkräfte zu überwinden, die Käfer mit Nährstoffen zu versorgen oder sie vor Krankheitserregern zu schützen.“ Die Pilze würden Harzbestandteile der Fichten verstoffwechseln, die normalerweise zur Verteidigung der Bäume dienen. Damit schwächen sie den Selbstschutz der Bäume und liefern den Käfern darüber hinaus wichtige Informationen darüber, welche Pilze bereits im Baum vorhanden sind, wo sie sich im Baum befinden und ob sie als Symbiose-Partner dienen können, wie Gershenzon erklärt.
Die Ergebnisse dieser neuen Studie könnten dazu beitragen, die Bekämpfung von Borkenkäferausbrüchen zu verbessern. Eine der meistangewandten Strategien im Kampf gegen diese Schädlinge sind Pheromonfallen, die sich allerding bei der Verhinderung der jüngsten Ausbrüche nicht mehr als wirksam erwiesen haben. Daher testen die Forscher nun, ob sich diese Duftfallen optimieren lassen, wenn man sauerstoffhaltige Monoterpene aus dem Pilzstoffwechsel hinzufügt. Ein wichtiges Ziel für das Forschungsteam ist es, mehr über die Verstoffwechslung der Fichtenharzverbindungen in den Pilzen zu erfahren und herauszufinden, ob es sich dabei um eine Entgiftungsreaktion für den Pilz oder für den Käfer handelt. (clu)
Originalveröffentlichung: Kandasamy, D., Zaman, R., Nakamura, Y., Tao, Z., Hartmann, H., Andersson, M. N., Hammerbacher, A., Gershenzon, J.: Conifer-killing bark beetles locate fungal symbionts by detecting volatile fungal metabolites of host tree resin monoterpenes, PLOS Biology (2023); DOI: 10.1371/journal.pbio.3001887
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