Zusammenhang von Salzgehalt, Meeresströmungen und Klima Wenn die Karibik versalzt, friert der Norden
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Die Veränderungen des Klimas sind stets eng verbunden mit dem Geschehen in den Weltmeeren. So sorgte etwa ein höherer Salzgehalt in der Karibik für die Abkühlungsphase der „Kleinen Eiszeit“ vor rund 500 Jahren. Diese Wechselwirkung hat ein internationales Forscherteam nun anhand von Sedimentanalysen rekonstruiert. Die Ergebnisse sollen helfen, Klimamodelle zu verbessern.

Die Verteilung von Salz im Ozean durch Meeresströmungen spielt eine entscheidende Rolle in der Regulierung des globalen Klimas. Das zeigen die Ergebnisse einer neuen Studie über natürliche Klimaanomalien wie die so genannte Kleine Eiszeit. Diese Kälteperiode vom 15. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts führte in Europa zu schlechten Ernten, Hungersnöten und Krankheiten. Obwohl die Kleine Eiszeit eine der am besten untersuchten Perioden der jüngeren Geschichte ist, bleiben die ihr zugrunde liegenden Klimamechanismen umstritten.
„Ein Blick auf die jüngsten, natürlichen Klimaanomalien hilft, die Prozesse und Mechanismen zu verstehen, die die vom Menschen verursachte globale Erwärmung auslösen kann“, sagt Dr. Anastasia Zhuravleva, Erstautorin der Studie. Sie arbeitete als Postdoktorandin am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und an der Dalhousie University, wo die jetzt veröffentlichte Studie abgeschlossen wurde.
„Forschende betrachten häufig eine Zunahme der Meereisausdehnung sowie eine Aussüßung im subpolaren Nordatlantik als mögliche Auslöser für vergangene Kälteperioden, doch Prozesse im tropischen Atlantik scheinen ebenso wichtig zu sein“, sagt Zhuravleva. „Tatsächlich gibt es im Gegensatz zu den nördlichen und mittleren Breiten kaum Informationen über diese jüngeren Klimaereignisse aus dem subtropisch-tropischen Atlantischen Ozean und deren Auswirkungen auf die Regionen in der nördlichen Hemisphäre“, ergänzt Dr. Henning Bauch, Paläoklimatologe am Alfred-Wegener-Institut (AWI), Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und am Geomar sowie Co-Initiator und Co-Autor der Studie.
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Einblick in die salzige Vergangenheit der Karibik
Was geschah also im tropischen Atlantik während historischer Klimaanomalien, und wie könnten potenzielle Veränderungen dort die Ozeanzirkulation und das Klima viel weiter nördlich beeinflusst haben? Um diese Fragen zu beantworten, arbeitete das Team an einem Sedimentprofil aus der südlichen Karibik und rekonstruierte den Salzgehalt und die Temperatur des Oberflächenwassers in den vergangenen 1.700 Jahren. Dafür bestimmten die Forschenden unter anderem die isotopische und elementare Zusammensetzung von Plankton-Kalkschalen.
Die Ergebnisse zeigen eine Abkühlung von etwa 1 °C während der Kleinen Eiszeit. „Das ist eine signifikante Temperaturänderung für diese Region“, sagt PD Dr. Mahyar Mohtadi, Co-Autor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe „Klimavariabilität der niedrigen Breiten“ am Marum, Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. „Besonders bemerkenswert ist das Vorkommen einer weiteren ausgeprägten Abkühlung für den Zeitraum des 8. bis 9. Jahrhunderts. Kältere Temperaturen im sonst warmen tropischen Ozean führten zu geringeren regionalen Niederschlägen, die mit schweren Dürren auf der Yucatan-Halbinsel und dem Untergang der klassischen Maya-Kultur zusammenfielen.“
Meeresströme sichern milde Temperaturen in Europa
Darüber hinaus fanden die Forschenden, dass die kalten Klimaanomalien im subpolaren Nordatlantik und in Europa von einer schwächeren Ozeanzirkulation und erhöhtem Salzgehalt in der Karibik begleitet wurden. „Die Advektion, also die Bewegung, von tropischem Salz in hohe nördliche Breiten ist für die Aufrechterhaltung hoher Oberflächendichten im subpolaren Nordatlantik unerlässlich. Dies ist eine Voraussetzung für die allgemeine Stabilität der großräumigen Ozeanzirkulation, einschließlich der Übertragung von warmem Golfstromwasser, das für unsere milden Temperaturen in Europa verantwortlich ist“, sagt Paläoklimatologe Bauch.
Die Daten zur historischen Vergangenheit ermöglichen somit eine Rekonstruktion der Verbindung über den Nordatlantik. Es gibt Hinweise darauf, dass eine anfängliche Abkühlung durch vulkanische Ausbrüche, schwache Sonnenaktivität und die Rückkopplungen zwischen Meereis und Ozean im Norden verursacht werden kann.
Erstmals Klimarückkopplung mit Meersalzgehalt direkt belegt
Die neue Studie belegt, dass ein Rückgang der Salzbewegung in hohe nördliche Breiten diese Abkühlungs-Klimaereignisse verstärkt und zeitlich verlängert. Umgekehrt kann die langsame Bewegung positiver Salzgehaltsanomalien aus tropischen Gebieten die Dichte an der Oberfläche des subpolaren Nordatlantik erhöhen. Auf diese Weise könnte der Wärmetransport nach Norden durch Meeresströmungen und damit mildere Temperaturen über Europa und Nordamerika begünstigt werden.
„Eine solche Rückkopplung des Salzgehalts ist aus Modellen bekannt und wurde auch für die Kleine Eiszeit angenommen. In Ermangelung von Daten über den tropischen Ozean basierten diese Annahmen jedoch bisher auf weniger direkten Niederschlagsaufzeichnungen“, sagt Erstautorin Zhuravleva.
Es gibt Anzeichen dafür, dass der Golfstrom schwächer wird und dass die vom Menschen verursachte Erwärmung eine wahrscheinliche Ursache dafür ist. Fest steht, dass die Folgen dieses Wandels global sein werden. Inwieweit sich die verschiedenen Klimamechanismen gegenseitig beeinflussen werden, war bislang noch offen. Diese Studie bestätigt nun, dass der Salztransport in Süd-Nord-Richtung ein entscheidender Faktor für die beteiligten Prozesse ist.
Originalpublikation: Zhuravleva, A. et al.: Caribbean salinity anomalies contributed to variable North Atlantic circulation and climate during the Common Era: Tropical salinification and historical cold anomalies, Science Advances, 3 Nov 2023, Vol 9, Issue 44; DOI: 10.1126/sciadv.adg263
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