Aging- und Anti-Aging-Prozesse untersucht Was Maus und Nacktmull übers Altern lehren
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Das Altern ist ein natürlicher Prozess, den manch einer gerne verlangsamen würde. Nacktmullen scheint dies tatsächlich zu gelingen, denn die kleinen Nagetiere haben ein ungewöhnlich langes Leben. Ein internationales Forscherteam hat nun bei Mäusen, Nacktmullen und Fledermäusen die biochemischen Prozesse genauer analysiert, die hinter dem Altern stecken.

Berlin, Moskau/Russland – Das Altern ist ein unvermeidlicher Teil des Lebens. Doch nicht alle Lebewesen altern gleich. Zum Teil gibt es selbst zwischen eng verwandten Tierarten erhebliche Unterschiede. Beispielsweise altert der Nacktmull stark verzögert und wird bis zu 30 Jahre alt.
Nun hat ein internationales Forscherteam erstmals einen Mechanismus in Zellen von Mäusen, Nacktmullen und Fledermäusen beschrieben, der in direktem Zusammenhang mit Alterungsprozessen steht: die „milde Depolarisation“ der inneren Mitochondrien-Membran.
Dieser Prozess an der „Haut“ der Zellkraftwerke reguliert die Bildung von Sauerstoffradikalen (mitochondrial reactive oxygen species, kurz: mROS) in den Zellen. Bei Mäusen nimmt die Wirkung dieses Mechanismus schon im ersten Lebensjahr ab, während er bei Nacktmullen noch im Alter von 20 Jahren vollständig aktiv ist.
Wie das Altern der Zellen verlangsamt wird
Sauerstoffradikale wie beispielsweise Wasserstoffperoxid sind Nebenprodukte der Zellatmung und werden mit Alterungsprozessen sowie mit verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht – zumindest, wenn sie in erhöhter Konzentration vorliegen. Es gibt verschiedene Mechanismen an den inneren und äußeren Membranen der Mitochondrien, die die mROS-Produktion bei der Zellatmung regulieren.
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Altersforschung
Extreme Langlebigkeit – Bechsteinfledermäuse altern nicht
Die Kernfunktion der Zellatmung ist die Energieproduktion in Form von Adenosintriphosphat (ATP). Wie die Wissenschaftler nun zeigten, führen die mitochondrialen Enzyme Hexokinase I und Hexokinase II sowie Kreatinkinase zu einer leichten Verringerung des Membranpotenzials der inneren Mitochondrien-Membran („milde Depolarisation“). Dies bedeutet, dass die elektrischen Ladungsunterschiede zwischen Innen- und Außenraum der Mitochondrien leicht gesenkt werden. Infolgedessen sinkt die Energieproduktion durch die ATP-Synthese zu einem gewissen Grad. Gleichzeitig wird die mROS-Produktion unterbunden. „Die milde Depolarisation reguliert also die mROS-Produktion und ist daher als Mechanismus anzusehen, der Alterungsprozesse in der Zelle wesentlich verlangsamt“, sagt Senior-Autor Vladimir Skulachev von der Lomonossow-Universität Moskau (MGU).
Anti-Aging bei Maus, Nacktmull und Co
Das Forscherteam zeigte darüber hinaus, dass dieser neu entdeckte biochemische Mechanismus in verschiedenen Geweben und Tierarten sowie in unterschiedlichem Alter nicht in derselben Intensität und Effizienz abläuft.
So nimmt die milde Depolarisation etwa bei Mäusen nach einem Jahr signifikant ab. In Skelettmuskeln, Zwerchfell, Herz, Gehirn und Milz ist ihr Effekt nach zwei Jahren dann kaum noch vorhanden und damit die mROS-Produktion hoch. In Lunge und Niere von Mäusen ist die Abnahme der milden Depolarisation im Alter allerdings deutlich geringer, wenn auch weiterhin klar erkennbar.
Bei Nacktmullen und Brillenblattnasen-Fledermäusen offenbart sich jedoch ein anderes Bild: „Der Verfall des Anti-Aging-Programms der Zellen tritt bei Mäusen bereits nach einem Drittel der durchschnittlichen Lebensdauer ein, während bei Nacktmullen und Brillenblattnasen die milde Depolarisation und damit die Unterdrückung der mROS-Produktion bis ins hohe Alter anhält“, erklären Thomas Hildebrandt und Susanne Holtze vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW). „Dies trägt zur außerordentlichen Langlebigkeit dieser Tierarten bei.“
Die Suche nach der biologischen Uhr geht weiter
Diese neu beschriebenen biochemischen Mechanismen zeigen auf, wie die Aging- und Anti-Aging-Programme in den Zellen funktionieren und reguliert werden. Was genau diese Prozesse aktiviert und kontrolliert, ist hingegen noch nicht abschließend geklärt. „Wir vermuten diese ‚biologische Uhr‘ im suprachiasmatischen Kern des Hypothalamus, der für die tageszeitlichen und saisonalen Rhythmen des Körpers verantwortlich ist“, sagt Erstautor Michail Vyssokikh von der MGU. Weitere Studien sollen dem in Zukunft nachgehen und neue Erkenntnisse zum gesunden Altern hervorbringen.
Originalpublikation: Vyssokikh MY, Holtze S, Averina OA, Lyamzaev KG, Panteleeva AA, Marey MV, Zinovkin RA, Severin FF, Skulachev MV, Fasel N, Hildebrandt TB, Skulachev VP, Mild depolarization of the inner mitochondrial membrane is a crucial component of an anti-aging program, PNAS 2020; DOI: 10.1073/pnas.1916414117
* J. Zwilling, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), 10315 Berlin
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