Zellsortierung nach Bild und Form Zellen ohne Farbmarkierung typisieren und sortieren
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Bei der Isolation spezifischer Zellen ist es notwendig, Zellen von Interesse zuvor zu kennzeichnen. Ein neues Verfahren namens Echtzeit-Verformungszytometrie macht das überflüssig. Entwickelt haben es Erlanger Max-Planck-Forscher. Sie messen mit Kameras, wie sich Zellen deformieren lassen. Eine künstliche Intelligenz wertet die Bilder aus und ermöglicht, die Zelltypen im hohen Tempo zu trennen.

Die schnelle und kostengünstige Typisierung und Sortierung bestimmter Zellpopulationen ist von großem Interesse in Medizin und Biologie. Diese werden z.B. in der Diagnostik oder für regenerative Therapien mit Stammzellen eingesetzt. Üblicherweise wird hierfür die so genannte Durchflusszytometrie genutzt, die Wissenschaftler der Universität Münster bereits Ende der 1960er Jahre entwickelt haben. Diese heute weit verbreitete Methode nutzt Antikörper, an denen ein fluoreszierender Farbstoff hängt. Nach der Markierung mit Farbstoff fließen die Zellen mit hoher Geschwindigkeit durch einen Kanal und das Farbsignal gibt Aufschluss, um welchen Zelltyp es sich handelt.
Die Y-förmigen Moleküle binden zwar meist sehr spezifisch an gesuchte Zellen und machen sie so erkennbar. Doch die Vorgehensweise hat auch Nachteile. Antikörper sind teuer und können die Eigenschaften von Zellen ändern, wenn sie an deren Oberfläche andocken und dabei biochemische Prozesse in Gang setzen. Das kann den physiologischen Zustand der Zellen verändern und so zu Problemen führen, wenn Ärzte mit ihnen anschließend Patienten behandeln wollen.
Zudem kann die Methode fehleranfällig sein. Unter Umständen lassen sich bestimmte Zelltypen nicht durch ihre Oberflächenproteine voneinander unterscheiden, weil sie jeweils dieselben Moleküle tragen.
Zell sortieren nach Bild und Form
Ein neuartiges Verfahren Zellen zu typisieren und zu sortieren, könnte das Färben nun gänzlich überflüssig machen: die Echtzeit-Verformungszytometrie (real-time deformability cytometry, kurz RT-DC). Bei dieser Methode vermessen Forscher die mechanischen Eigenschaften einzelner Zellen und untersuchen, wie gut sie sich beispielsweise deformieren lassen. Ganz so wie im Supermarkt, wenn wir auf Birnen oder Avocados drücken, um herauszufinden, wie reif sie sind. Und auch Mediziner prüfen die Festigkeit von Gewebe, etwa um durch das Abtasten der Brust eine Krebserkrankung möglichst früh zu erkennen.
Entwickelt hat das Verfahren ein Forscherteam um Professor Jochen Guck, Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts in Erlangen und Mitgründer des im Aufbau befindlichen Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin. Die Wissenschaftler hoffen, es nicht nur in der Diagnostik, sondern auch in der Therapie etwa von Krebserkrankungen oder bei Veränderungen der Netzhaut einsetzen zu können. Der besondere Vorteil von RT-DC: Das Verfahren kommt ohne Farbmarkierung aus.
Die Optomechaniker pressen Zellen mit hoher Geschwindigkeit durch einen nur wenige Mikrometer breiten Kanal. In ihm fließt die Flüssigkeit nicht überall gleich schnell. In der Mitte strömt sie am schnellsten und am Rand herrscht quasi Stillstand. Das zwingt die Zellen in die Form einer Patronenkugel. Ein Mikroskop vergrößert sie, eine Hochgeschwindigkeitskamera lichtet sie ab und eine Software analysiert die Bilder in Echtzeit – bis zu 1000 Zellen pro Sekunde. Damit nicht genug. Unmittelbar nach der Vermessung kann jede Zelle dann auch noch gezielt aussortiert werden.
Anhand der Verformung der Zellen konnten die Forscher bereits bestimmte Typen von Blutzellen unterscheiden, Krankheiten diagnostizieren oder die Zellzyklusstadien bestimmen.
Die Zellbilder enthalten allerdings noch mehr Informationen als nur die Verformbarkeit, die auch zur Unterscheidung genutzt werden können. Allerdings ist es nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, auf welche Merkmale es ankommt. Daher nutzen die Erlanger Forscher Verfahren der künstlichen Intelligenz (KI), genauer des maschinellen Lernens. Sie trainieren dazu neuronale Netze mit Aufnahmen bekannter Zelltypen. Anschließend erkennt dann das Programm die gesuchten Zellen in einer Probe. Dafür müssen Zellen allerdings erst doch einmal gefärbt werden, um die verschiedenen Zelltypen zu unterscheiden. Ist das neuronale Netz dann aber trainiert, werden keine Antikörper zur Klassifizierung mehr benötigt. Weil die Wissenschaftler in jedem RT-DC-Experiment tausende Zellen durch die Kanäle pressen, kann die KI anhand der zahlreichen Bilder lernen, worin die Unterschiede zwischen den Zellarten bestehen.
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