Müllerzellen Müllerzellen als Lichtleiter im menschlichen Auge
Leipziger Wissenschaftler haben wichtige neue Erkenntnisse zur Funktionsweise des menschlichen Auges erlangt. Sie konnten nachweisen, dass so genannte Müllerzellen, die Bestandteil des Nervengewebes in der Netzhaut sind, als Lichtleiter fungieren.
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Leipzig – Bei einer punktförmigen Belichtung der Netzhaut-Oberfläche gelangt das Licht durch die Müllerzellen punktgenau und ungehindert zu den Lichtsinneszellen auf der Rückwand der Netzhaut. Auf diese Weise können Wirbeltiere und damit auch der Mensch nachts selbst sehr schwaches Licht und am Tag kontrastreiche Bilder ihrer Umwelt wahrnehmen.
Ausgangspunkt der Untersuchungen war die Frage, wie das beeindruckende Sehvermögen der meisten Wirbeltiere erklärt werden kann, obwohl das Licht auf seinem Weg durch die Netzhaut mehrere Gewebsschichten durchdringen muss und dabei reflektiert und gestreut wird, bevor es auf die Lichtsinneszellen trifft. Seit zwölf Jahren beschäftigt sich ein Team aus Biologen und Biophysikern mit der Rolle der Müllerzellen beim Licht-„Transport“ durch die Netzhaut.
Die Forschungsergebnisse der Leipziger Biologen und Biophysiker sind deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil zuvor der Weg des Lichts durch die Netzhaut nicht untersucht worden ist. Es wurde einfach vorausgesetzt, dass das Licht seinen Weg durch die Netzhaut findet, „weil diese ja durchsichtig ist“. Die neuen Ergebnisse zeigen nun, wie die Natur das Problem der Lichtstreuung gelöst hat.
Müllerzellen interdisziplinär erforscht
Bei den Müllerzellen handelt es sich um so genannte Gliazellen, wie sie auch im Gehirn vorkommen. Sie sind wie Neuronen Bestandteile des Nervengewebes und fungieren für die Neuronen als „Helfer“, indem sie sie beispielsweise ernähren und so ihr Überleben sichern. Die Müllerzellen sind schlauchförmig und ziehen von einer Oberfläche zur anderen durch die ganze Dicke der Netzhaut des Auges, der Retina. „Unsere ursprüngliche Idee war, dass die Müllerzellen genau die richtigen Maße und die richtige Anordnung haben könnten, um als Lichtleiter das Licht von der Netzhautoberfläche bis zur Rückseite und damit zu den Fotorezeptorzellen zu bringen“, sagt Professor Andreas Reichenbach.
Um eine solche Fragestellung zu bearbeiten, brauche es Ideen und Methoden aus Biologie und Physik. Die Plattform für diese fächerübergreifende Zusammenarbeit ist das Leipziger Graduiertenkolleg Interneuro, in dem Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam neurowissenschaftliche Themen erforschen. So auch in diesem Projekt: Die optischen Eigenschaften der Retina wurden in enger Zusammenarbeit der Arbeitsgruppen von Prof. Reichenbach (Pathophysiologie der Neuroglia am Paul-Flechsig-Institut) und von Professor Josef Alfons Käs (Physik der weichen Materie) untersucht.
Bereits 2007 haben die Forscher um Professor Reichenbach erste Erkenntnisse veröffentlicht und dafür auch eine Auszeichnung, den Cozzarelli-Preis, erhalten. „Allerdings gab es damals auch Kritik“, sagt der Professor. Der Hauptvorwurf: Die Wissenschaftler hätten nur untersucht, dass einzelne isolierte Müllerzellen als Lichtleiter funktionieren, dies wurde jedoch nicht in der lebenden Netzhaut gezeigt.
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