Strukturanalyse von Spinnenseide Was australische Seidenfäden so besonders macht
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Spinnen sind höchst erfolgreiche Biochemiker aus der Natur. Ihre Seidenfäden sind ein komplexes Proteinkonstrukt, das in seinen flexiblen, elastischen und dennoch stabilen Eigenschaften unerreicht ist. Nun haben Forscher die Fäden einer australischen Spinnenart analysiert, die selbst im Vergleich zu anderen Spinnfäden herausragende Eigenschaften und Strukturmerkmale aufweisen.

Bayreuth – Im Südosten Australiens sind sehr ungewöhnliche Spinnen heimisch. Die zu den Krabbenspinnen gehörende Saccodomus formivorus hat sich nie über ihre Ursprungsregion New South Wales hinaus ausgebreitet, ist also eine endemische Art. Seit über 150 Millionen Jahren weben diese Spinnen dort ihre sackförmig aussehenden Netze und verwenden sie als eigene Behausung, als Schutz für ihre Eier und als Falle für die Beute. Weil die multifunktionalen und sehr formstabilen Netze wie Hummerfangkörbe aussehen, werden diese Spinnen im Volksmund auch „lobster pot spiders“ genannt.
Nun haben Forscher der Universität Bayreuth, der australischen University of Melbourne und des Australian Synchrotron die Netze der Hummer Hummerkorb-Spinne genauer untersucht. Sie setzten dazu intensive Synchrotronstrahlung ein, die Einblicke in die ungewöhnliche Struktur und chemische Zusammensetzung der Seidenfäden ermöglichte.
Jeder Faden ein eigenes Netzwerk
Bei ihren Analysen fanden die Wissenschaftler Mikrofasern mit einem Durchmesser von etwa zwei bis vier Mikrometern in den Spinnenfäden, eingebettet in eine Polymermatrix, die ihrerseits aus sehr viel kleineren, in Längsrichtung angeordneten Fasern besteht. Diese kleineren Subfasern enthalten andere molekulare Bausteine als die größeren Mikrofasern und sind ungefähr zehnmal dünner als diese.
„Die Natur hat hier eine komplexe Struktur hervorgebracht, die auf den ersten Blick industriell gefertigten Verbundwerkstoffen ähnlich sieht“, sagt Prof. Dr. Thomas Scheibel, Inhaber des Lehrstuhls für Biomaterialien, der die Forschungsarbeiten an der Universität Bayreuth geleitet hat. Bei weiteren Untersuchungen der australischen Spinnenseidenfäden stellte das Team allerdings fest, dass die chemisch verschiedenen Komponenten der Spinnenseide mit ihren jeweiligen Eigenschaften gemeinsam zu großer Dehnbarkeit und Zähigkeit beitragen und so eine hohe Widerstandsfähigkeit erzeugen. „Bei heutigen Verbundwerkstoffen sind es dagegen hauptsächlich die in die Matrix eingelassenen Fasern, welche die jeweils gewünschten Eigenschaften wie eine hohe Stabilität begründen“, erläutert Scheibel.
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Spinnenseide
Neue Erkenntnis zur Biochemie in der Spinndrüse
Elastischer als andere Spinnfäden
In vergleichenden Tests haben die Forscher die Seidenfäden der australischen Krabbenspinnenart mit anderen Spinnenfäden verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Fäden der australischen Spinne eine viel höhere horizontale Elastizität aufweisen als die bereits sehr gut erforschten Seidenfäden bekannter Radnetzspinnen, wie beispielsweise der heimischen Gartenkreuzspinne. „Zugleich hat die Analyse des Zusammenspiels der beiden verschiedenartigen Fasern unser wissenschaftliches Verständnis der Funktionsweise von Spinnenseide generell erweitert“, sagt Christian Haynl, Doktorand am Lehrstuhl für Biomaterialien und Erstautor der Studie. „Die endemische Spinnenart in Australien bietet uns überraschende Einblicke in die Werkstatt der Evolution.“
Originalpublikation: Christian Haynl, Jitraporn Vongsvivut, Kai R. H. Mayer, Hendrik Bargel, Vanessa J. Neubauer, Mark J. Tobin, Mark A. Elgar, Thomas Scheibel: Free‐standing spider silk webs of the thomisid Saccodomus formivorus are made of composites comprising micro‐ and submicron fibers, Sci Rep 10, 17624 (2020), DOI: 10.1038/s41598-020-74469-z
* C. Wißler, Universität Bayreuth, 95447 Bayreuth
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