Wasserstoffstrategie der Bundesregierung Wasserstoff: Deutschland soll Nummer Eins werden
Die Bundesregierung will Deutschland bei der Nutzung von Wasserstoff als klimafreundlichen Energieträger zum Vorreiter machen. Nun hat sie ihre Wasserstoffstrategie konkretisiert. Doch wie zukunftsträchtig ist die Strategie wirklich?
Anbieter zum Thema

Berlin (dpa) – Wenn weniger Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangen soll, muss weniger Kohle, Erdöl und Erdgas verbrannt werden. Nicht immer kann Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse fossile Brennstoffe so direkt ersetzen, wie wenn ein E-Auto mit Strom statt mit Sprit fährt. Hier kommt Wasserstoff ins Spiel. Die technischen Details sind eher etwas für Chemie-Interessierte: Wasserstoff entsteht zum Beispiel durch Elektrolyse von Wasser, das in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird. Dafür braucht es elektrische Spannung, also Strom.
Wenn es nach Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) geht, soll die nationale Wasserstoffstrategie Deutschland doppelten Schub verleihen - für den Klimaschutz und die nachhaltige Erholung der Wirtschaft nach der Corona-Krise. Die Strategie sei auf die Förderung von „grünem Wasserstoff“ ausgerichtet, der aus 100 % erneuerbaren Energien gewonnen werde. Dafür müssten nun die erneuerbaren Energien konsequent ausgebaut werden. Es gelte, den Wasserstoffeinsatz vor allem da zu fördern, wo es keine Alternativen für den Verzicht auf fossile Brennstoffe gebe: „in der Stahlproduktion, der Chemieindustrie, sowie der Luftfahrt.“
Mit einiger Verzögerung hatte sich die schwarz-rote Koalition vergangene Woche bei den Streitpunkten zur Wasserstoffstrategie geeinigt. Sie sieht vor, dass bis 2030 in Deutschland Erzeugungsanlagen von bis zu fünf Gigawatt Gesamtleistung entstehen sollen. Der Einsatz von Wasserstoff soll neben der Industrie auch im Verkehr gefördert werden. Der Fokus liegt auf grünem Wasserstoff, aber auch anderer soll eingesetzt werden.
Von der Opposition kam Kritik. „Die Strategie ist zum Scheitern verurteilt, wenn nicht entscheidend nachgebessert wird“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer der dpa. „Da sollen große Kapazitäten in der Produktion aufgebaut werden, ohne dass klar ist, wer diesen Wasserstoff überhaupt abnimmt.“ Es brauche verpflichtende Beimischungsquoten etwa im Luftverkehr oder Erdgasnetz. Solche Quoten werden in der Strategie erwähnt, sollen aber noch erörtert werden.
Bei der Energiebranche kommen die Pläne der Bundesregierung gut an. „Wasserstoff ist ein unverzichtbarer Baustein für eine CO2-freie Wirtschaft der Zukunft“, sagte die Chefin des Energieverbands BDEW, Kerstin Andreae, der dpa. Ein Pluspunkt sei, dass die bestehende Gas-Infrastruktur dafür genutzt werden könne. Es sei daher richtig, dass die Bundesregierung im Konjunkturpaket erhebliche Mittel für Wasserstoff einplane. „Das ist das richtige Signal zur richtigen Zeit.“ Neben den laufenden, milliardenschweren Förderprogrammen sind weitere 7 Milliarden Euro für den Markthochlauf von vorgesehen und 2 Milliarden für internationale Partnerschaften.
Grün, grau, blau: Warum nicht jeder Wasserstoff dem Klima hilft:
Je nachdem, aus was Wasserstoff gewonnen wird und woher der Strom kommt, gibt es unterschiedliche Namen: Grüner Wasserstoff entsteht mit erneuerbaren Energien aus Wasser und ist der Liebling der Klimaschützer. Grauer Wasserstoff dagegen wird aus fossiler Energie hergestellt, etwa aus Erdgas. Bei der Produktion einer Tonne Wasserstoff entstehen rund 10 Tonnen CO2 - kein guter Deal für das Klima. Als blau wird Wasserstoff bezeichnet, wenn das CO2 gespeichert wird, also nicht in die Atmosphäre gelangt. Die Methoden dafür sind umstritten. Türkiser Wasserstoff wird aus Methan gewonnen.
Der Bund hat schon viele Hundert Millionen Euro in die Forschung zum Wasserstoff gesteckt, weitere, milliardenschwere Förderprogramme laufen. Im großen Konjunkturpaket gegen die Corona-Krise sind weitere 7 Milliarden Euro für den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien vorgesehen und 2 Milliarden für internationale Partnerschaften. Denn es wird längerfristig so viel Wasserstoff gebraucht, dass Deutschland den nicht alleine produzieren kann - allein schon wegen der enormen Strommengen, die dafür notwendig sind.
Bis 2030 sollen in Deutschland Erzeugungsanlagen von bis zu fünf Gigawatt Gesamtleistung entstehen, heißt es in der Wasserstoff-Strategie. Diese sollen etwa ein Siebtel des erwarteten Bedarfs herstellen. Der Rest muss importiert werden. Die SPD wollte eigentlich doppelt so viel Kapazität.
Umstritten war auch, welche Rolle nicht-grüner Wasserstoff spielen soll. In der Strategie heißt es nun, dass nur grüner Wasserstoff „auf Dauer nachhaltig“ sei - aber auf dem weltweiten und europäischen Markt auch blauer oder türkiser Wasserstoff gehandelt werde, der daher auch in Deutschland „eine Rolle spielen und, wenn verfügbar, auch übergangsweise genutzt“ werde.
Ziel ist es, neben der Förderung von Investitionen auch einen Markt für Wasserstoff zu schaffen, damit Unternehmen überhaupt im großen Stil auf Wasserstoff-Produktion setzen. Denn bisher ist oft die Rede von einem „Henne-Ei-Problem“: Es ist nicht genug Wasserstoff da, um Anwendungen voranzubringen - und es gibt nicht genug Anwendungen, um in die Produktion einzusteigen.
Im Gespräch ist unter anderem eine Quote für Kerosin, also Flugzeug-Treibstoff, in Höhe von mindestens zwei Prozent für das Jahr 2030, oder eine Quote für klimafreundlichen Stahl. Beschlossen ist das aber nicht. Die Produktion von grünem Wasserstoff soll zudem über eine Befreiung von der Ökostrom-Umlage gefördert werden, die Bürger mit der Stromrechnung zahlen.
Wofür der Wasserstoff verwendet werden soll
Klar ist, dass etwa die Stahl-, Chemie- und Zementbranche ihn braucht, um CO2-Emissionen zu drücken. Auch „Teile des Wärmemarkts“ hat die Regierung „im Blick“, wie es in der Strategie heißt. Und wie sieht es beim „Klimaschutz-Sorgenkind“ Verkehr aus? „Sowohl im Luft- als auch im Seeverkehr sind für die Dekarbonisierung klimaneutrale synthetische Kraftstoffe erforderlich“, heißt es in der Strategie.
Das bezweifelt keiner, auch Brennstoffzellen in Bussen, Zügen und Lkw sind ziemlich unstrittig.
Der Satz „Auch in bestimmten Bereichen bei PKWs kann der Einsatz von Wasserstoff eine Alternative sein“, kommt dagegen bei Umweltschützern eher schlecht an: Sie werfen der Branche vor, nicht auf batterieelektrische Fahrzeuge umsteigen zu wollen, in denen Strom effizienter genutzt wird als über der Wasserstoff-Umweg.
(ID:46646105)