SARS-CoV-2 infiziert Herzzellen im Laborversuch Corona im Herzen? Forscher sind gerüstet
Das derzeit verbreitete Coronavirus setzt sich eigentlich in der Lunge der Betroffenen fest. Im Laborversuch haben Forscher nun allerdings gezeigt, dass es auch Herzmuskelzellen befallen könnte. Sollte sich eine direkte Infektion des Herzens auch im menschlichen Körper nachweisen lassen, hätten die Forscher aber schon einen Wirkstoffkandidaten parat.
Anbieter zum Thema

Hamburg, Frankfurt, München, Berlin – Covid-19 ist eine Lungenkrankheit. Doch das Coronavirus SARS-CoV-2 macht nicht nur der Lunge zu schaffen. Ein Teil der Patienten bekommt aber auch Herzprobleme. Forscher des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) wollten wissen, ob die Herzprobleme als Reaktion auf die Entzündung der Lunge entstehen – oder ob Zellen des Herz-Kreislauf-Systems auch direkt von dem Coronavirus infiziert werden können. „Wir haben dafür alle verfügbaren Labormodelle von verschiedenen DZHK-Standorten genutzt“, sagt Stefanie Dimmeler von der Goethe-Universität Frankfurt, die die Versuche koordiniert hat.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1762300/1762368/original.jpg)
Zusammenhang länderspezifisch ermittelt
Auch hierzulande: Mehr Corona-Tote durch Luftverschmutzung?
Viren aus dem ersten deutschen Corona-Fall
Als erstes untersuchten die Wissenschaftler Herzzellen aus pluripotenten Stammzellen. Das sind Zellen, die aus anderen Körperzellen zu Herzmuskelzellen umprogrammiert werden. Diese versetzten sie mit zwei Isolaten des ersten deutschen Corona-Patienten, der im März aus Wuhan nach Deutschland zurückgekehrt war.
Und tatsächlich wiesen die Forscher nach, dass diese Herzzellen das Virus aufnehmen, dass die Virus-RNA sich dort vermehrt und dass das virustypische Spike-Protein gebildet wird. Die Flüssigkeit über den Zellen infizierte wiederum andere Zellen, die normalerweise für solche Versuche im Labor verwendet werden, was ebenfalls ein Beleg für die Infektion der Herzzellen ist.
Gestresste „Miniherzen“
In ihren Versuchen beobachteten die Wissenschaftler zudem den „Herzschlag“ an den Zellmodellen, denn Herzzellen zucken im Reagenzglas wie Miniherzen. „Die Zellen bekommen richtig Stress, wenn sie dem Virus ausgesetzt werden“, schildert Dimmler. „Die so genannte ‚beating rate‘ geht erst steil nach oben und fällt nach drei Tagen ab, weil die Zellen sterben.“
Um das Herz als Organ nachzubilden, bauten die Forscher aus Herzmuskel-, Blutgefäß- und Bindegewebszellen kleine Zellklümpchen. Auch in diesen wiesen sie nach, dass das Spike-Protein des SARS-CoV-2 gebildet wird. Schließlich untersuchten sie mit denselben Methoden echtes menschliches Herzgewebe, worin sich das Virus ebenfalls vermehrte. In allen Laborversuchen schaffte es das Virus also, die Herzzellen zu infizieren.
Mögliches Medikament gegen Herzinfektion durch Corona
Gaben die Wissenschaftler zu all den Versuchen Wirkstoffe wie Remdesivir, die das Virus daran hinderten die Herzzellen zu befallen, war kein Anstieg von Virus-RNA und Spikeprotein nachweisbar – das Virus konnte sich nicht vermehren.
Inwieweit sich die Laborversuche mit den Herzzellen überhaupt auf Patienten übertragen lässt, ist noch unklar. „Die Herzmuskelzellen sind normalerweise gut geschützt, da das Virus erst die Gefäßbarriere durchdringen muss“, sagt Studienleiterin Dimmeler. „Um den Virusbefall des Herzens im menschlichen Körper in der Akutphase zu untersuchen, müssten wir bei Erkrankten regelmäßig Biopsien aus dem Herzen entnehmen, was fast unmöglich ist.“ Die Forscherin kann sich aber vorstellen, dass man Patienten, die problematische Herzreaktionen zeigen, mit Cathepsin-Inhibitoren behandeln könnte. Diese Wirkstoffe konnten im Laborversuch das Eindringen des Virus in Herzmuskelzellen verhindern.
Originalpublikation: Bojkova et. al.: SARS-CoV-2 infects and induces cytotoxic effects in human cardiomyocytes, Cardiovascular Research 2020; DOI: 10.1093/cvr/cvaa267
(ID:46979512)