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Tierische Superhirne Dohlen merken sich, was sie wann wo getan haben – aber wie?

Autor / Redakteur: Dr. Julia Weiler* / Dr. Ilka Ottleben

Krähenvögel sind zu erstaunlichen Gedächtnisleistungen im Stande, die denen von Menschen nahekommen. Doch ihr Gehirn ist ganz anders aufgebaut. Um zu verstehen, wie diese tierischen Superhirne komplexeste Leistungen vollbringen, trainieren Forschende der Ruhr-Universität Bochum seit einem Jahr zwei Dohlen in einem komplexen Verhaltensversuch.

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Krähenvögel sind zu erstaunlichen Gedächtnisleistungen imstande. In Verhaltensexperimenten erweisen sich die Vögel jedoch als exzentrische Versuchspartner.
Krähenvögel sind zu erstaunlichen Gedächtnisleistungen imstande. In Verhaltensexperimenten erweisen sich die Vögel jedoch als exzentrische Versuchspartner.
(Bild: © Damian Gorczany)

Bochum – Krähenvögel können witzig sein, exzentrisch mitunter nervig – in jedem Fall sind sie außerordentlich intelligent. Sie gehören sogar zu den intelligentesten Vertretern im ganzen Vogelreich. Um mit ihnen zu arbeiten, braucht es Geduld und Zeit.

Genau die bringen derzeit auch Bochumer NeurowissenschaftlerInnen auf. Denn sie wollen verstehen wie die Vögel, deren Gehirn ganz anders aufgebaut ist als das des Menschen, zu den außergewöhnlichen Gedächtnisleistungen im Stande, die denen von Menschen nahekommen. Seit einem Jahr trainieren die Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) daher zwei Dohlen in einem komplexen Verhaltensversuch, in dem die Vögel lernen, sich zu merken, was sie wann wo getan haben. Neurophysiologische Untersuchungen sollen später Aufschluss über die zugrunde liegenden Prozesse im Gehirn geben.

Komplexer Verhaltensversuch untersucht episodisches Gedächtnis

Für den Versuch lernen die Tiere, sich eine Sequenz von Orten zu merken, die sie besucht haben, sowie welche Farben sie dort gesehen haben. Diese Information müssen sie dann an einem anderen Ort wieder abrufen; machen sie das richtig, erhalten sie eine Futterbelohnung. Mit dieser Aufgabe wollen die Forscher die Basis für das sogenannte episodische Gedächtnis untersuchen. Es speichert einzigartige Erlebnisse und beruht darauf, dass Individuen sich merken können, was sie wann wo getan haben. In einer Reihe von Verhaltensversuchen zeigten andere Gruppen bereits, dass Krähenvögel dazu in der Lage sind. Die neuronale Basis für dieses Können ist bislang jedoch unerforscht.

Die Dohlen absolvieren den Versuch an der RUB in einer sechseckigen Voliere, in der sie rund zweieinhalb Stunden pro Tag seit einem Jahr trainieren. Die Voliere enthält an vier Seiten einen Touchscreen. An dreien davon tauchen nacheinander farbige Punkte auf, die das Tier anpicken muss. Erst wenn der erste Punkt angepickt ist, erscheint der nächste und so weiter. An einem vierten Ort muss der Vogel dann abrufen, welche Farbe er an welchem Ort gesehen hat.

Sehen Sie hier wie der Verhaltensversuch aufgebaut ist und schauen Sie den Vögeln bei der Arbeit zu:

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Musterschüler: In einem Monat gelernt

Um die Reihenfolge der Orte abfragen zu können, haben die Tiere zunächst gelernt, den Orten Symbole zuzuordnen: einen Campingplatz, ein Toilettenhäuschen und einen Hafen. Die Symbole wurden allerdings nie an den Orten selbst präsentiert. Die Dohlen sehen sie nur auf dem vierten Touchscreen, auf dem sie ihre Antwort geben müssen. Anfangs pickten sie einfach zufällig auf die Symbole; nur wenn die Reihenfolge stimmte, gab es eine Futterbelohnung. So lernten sie, Campingplatz, Toilettenhäuschen und Hafen einem der drei anderen Touchscreens zuzuordnen.

„Wir waren uns nicht sicher, ob die Tiere in der Lage sein würden, das zu lernen“, erklärt Jonas Rose. „Es ging dann relativ schnell, innerhalb von einem Monat.“ In 60 bis 80 Prozent aller Versuchsdurchgänge geben die Tiere alle drei Orte korrekt an. Die Wahrscheinlichkeit, durch Raten richtig zu antworten, liegt bei diesem Versuchsdesign bei knapp 17 Prozent.

Arbeitsgedächtnis überlastet?

Nun trainieren die Vögel, sich zu merken, an welchem Ort sie welche Farbe gesehen haben, wobei die Reihenfolge der Orte und die Zuordnung der Farben sich in jedem Versuchsdurchgang ändern. Anfangs hatten die Dohlen damit große Probleme. „Wir versuchen gerade, herauszufinden, ob es einfach zu viele Informationen für das Arbeitsgedächtnis der Tiere sind“, erklärt Rose, „oder ob sie ein Problem mit der Farbaufgabe an sich haben.“

Dazu fragen die ForscherInnen nicht in jedem Durchgang die Zuordnung der Farben zu den Orten ab; in manchen Durchgängen müssen die Dohlen auch nur die Reihenfolge der Orte oder nur die Reihenfolge der Farben angeben. Mittlerweile antworten die Tiere in 20 Prozent der Versuchsdurchgänge richtig, in denen sie Orte und Farben angeben sollen; damit liegen sie über der Rate-Wahrscheinlichkeit, die 5,5 Prozent betragen würde. Noch sind die Bochumer Biopsychologen daher zuversichtlich, dass die Tiere die Aufgabe lernen können. Falls nicht, würden sie den Versuch schrittweise vereinfachen.

* Dr. J. Weiler: Ruhr-Universität Bochum, 44801 Bochum

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