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Oberflächen-Plasmon-Resonanz SPR-Biosensoren – Anwendungsmöglichkeiten erweitert

Autor / Redakteur: Michael Keusgen* / Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Will man Interaktionen von Biomolekülen analysieren, ist die Oberflächen-Plasmon-Resonanz (SPR) -basierte Sensorik die Methode der Wahl. Weiterentwicklungen hin zur Miniaturisierung der Biosensoren eröffnen neue Anwendungsmöglichkeiten.

Seit über vier Jahrzehnten wird intensiv an Biosensoren geforscht. Die Entwicklung von Sensoren, die auf der Oberflächen-Plasmon-Resonanz (SPR, Surface Plasmon Resonance) basieren, stellt einen wichtigen Schlüsselschritt dar.

SPR-Sensoren werden in der Bioanalytik vornehmlich als Affinitäts-Sensoren zur markierungsfreien biomolekularen Interaktionsanalyse (BIA) eingesetzt. Dabei können ganz unterschiedliche Bindungspartner auf der Goldoberfläche immobilisiert sein (s. Abb. 1). Im „klassischen“ Fall ist dies ein Antikörper, der gegen ein bestimmtes Protein gerichtet ist (s. Abb. 1b). Mit Antikörpern können aber auch ganze Zellen gebunden werden (s. Abb. 1c). Letzteres funktioniert nur zufriedenstellend mit Messsystemen, bei denen sehr geringe Scherkräfte auftreten, beispielsweise Mikroküvetten-Systeme. Alternativ zu Antikörpern können auch Rezeptorproteine eingesetzt werden (s. Abb. 1a). Auch kleinere Moleküle wie Zucker (s. Abb. 1d) oder Wirkstoffe (s. Abb. 1e) können als Interaktionspartner gebunden werden.

SPR-Biosensoren – Vom einfachen Immunosensor zum komplexen Array

Was sind nun die Vorteile eines solchen Systems? Zunächst lassen sich – genauso wie bei Immunoassays auf Mikrotiterplattenbasis – eine Vielzahl von Analyten über Antikörper identifizieren und quantifizieren. Im Idealfall lassen sich auch die Bindungskonstanten ermitteln, wobei keine zusätzlichen Markierungsschritte (Fluoreszenz, Enzym, Radioaktivität) erforderlich sind. Das Ergebnis liegt bereits nach wenigen Minuten vor.

Besonders interessant wird die SPR-Technik, wenn nicht nur eine Fängerstruktur, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Moleküle immobilisiert wird. Dabei erfolgt die Auslesung des optischen Signals durch eine leistungsfähige CCD-Kamera. Beispielsweise können auf einem SPR-Array kleinere Substanzbibliotheken immobilisiert werden (s. Abb. 1e). Auf dem erhaltenen Chip werden dann potenzielle Bindungspartner (Enzyme oder Rezeptoren) gegeben und mögliche Interaktionen analysiert. Da ein derartiger Chip im Idealfall viele Male verwendet werden kann, können sequenziell Dutzende unterschiedliche Proteine auf ihre Bindung hin getestet und ein umfassendes Interaktions-Profil für jede Substanz erstellt werden. Eine derartige Messroutine wird auch als „chemical proteomics“ bezeichnet, wobei nur geringste Substanzmengen benötigt werden. Das ist insbesondere bei Naturstoff-Bibliotheken von Vorteil. Die Methode wäre ein großer Gewinn für das Pre-Screening oder das toxikologische Screening von potenziellen Arzneistoff-Kandidaten. Darüber hinaus kann die SPR-Technik mit der Maldi-Tof-Massenspektrometrie kombiniert werden.

SPR-Technik für die in-vivo-Diagnostik

Der große Traum der Biosensorik sind miniaturisierte Messanordnungen, die im Idealfall Parameter im lebenden Organismus erfassen. Dieser Trend ist auch bei der Oberflächenplasmonresonanz zu beobachten. Eine zunehmende Miniaturisierung bedingt aber auch, dass nur der absolut notwendige Teil der physikalischen Komponente des Sensors mit dem biologischen Element verbunden ist und sich der größere Teil des Sensors in größerer Entfernung befindet (s. Abb. 3b). Die beiden Teile sind dann über eine Glasfaser (optische Systeme), ein Kabel oder Funk (elektrische Systeme) miteinander verbunden. Ein derartiger Aufbau ist notwendig, um minimalinvasiv im lebenden Gewebe messen zu können.

Vorteilhaft ist, dass das SPR-Phänomen auch dann auftritt, wenn Licht durch eine ummantelte Glasfaser geleitet wird, die an einer Stelle eine dünne Goldschicht trägt, die wiederum mit bestimmten biologischen Erkennungselementen beschichtet ist (s. Abb. 2b). Die daraus resultierende SPR-Sonde kann in eine Probe eingetaucht oder sogar in lebendes Gewebe eingeführt werden. So können auf elegante Weise Stoffwechselvorgänge sichtbar gemacht werden. Jedoch muss in diesem Fall auf die sonst übliche, sehr aufwändige Thermostatisierung verzichtet werden, was zu Problemen bei der Auswertung der Messsignale führt, denn der SPR-Effekt ist stark temperaturabhängig.

Einen Schritt weiter geht die so genannte „nano-SPR“. Hierbei wird das Gold nicht mehr auf eine Glasoberfläche immobilisiert, sondern in Form von Nanopartikeln in die Untersuchungslösung gegeben (s. Abb. 2c). Die Oberfläche dieser Nanopartikel wird wie bisher mit der Fängerstruktur beschichtet. Kommt es zur Bindung des Analyten an die Oberfläche der Goldpartikel, so ändert sich auch das SPR-Phänomen. Diese Änderung kann über eine Mikroskopoptik oder über eine Glasfaser ausgelesen werden.

Hierdurch ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, zum Beispiel in der Tumordiagnostik. Es ist denkbar, dass zukünftig funktionalisierte Goldpartikel, die Erkennungsstrukturen für bestimmte Tumormarker tragen, in Tumorgewebe injiziert werden. Anschließend wird über eine Faseroptik beobachtet, ob die Goldpartikel an Tumormarker gebunden haben oder nicht. Dadurch können Biopsien entfallen, und das Ergebnis liegt nach sehr kurzer Zeit vor. Dieses wiederum erlaubt eine schnelle, differenzierte und gezielte Tumorbehandlung. Eine Therapie kann übrigens auch durch einen Laserstrahl von höherer Energie erfolgen, der durch die gleiche Faseroptik an das Tumorgewebe herangeführt werden kann, wodurch sich ein ganz neues Therapiekonzept ergeben würde.

Herausforderungen und vielversprechende Potenziale

Derzeit sind unterschiedliche Trends erkennbar. Zum einen werden die größeren, stationären Oberflächenplasmonresonanz-Geräte immer leistungsfähiger, insbesondere was die Anzahl der Messkanäle anbetrifft. Derartige Systemlösungen sind für die Pharmabranche recht interessant, insbesondere wenn diese Systeme mit anderen Analysemethoden kombiniert werden (beispielsweise Massenspektrometrie).

Zum anderen wird derzeit intensiv an bildgebenden Verfahren auf der Basis der Oberflächen-Plasmon-Resonanz in Verbindung mit Nanopartikeln – zumeist Gold – gearbeitet. Dieses hochinteressante Feld wird gerade erschlossen, wobei der Schwerpunkt auf dem Design geeigneter Nanopartikel liegt. Hier werden nicht nur unterschiedliche Materialien getestet, sondern auch Komposite mit schalenförmigem Aufbau und unterschiedlichen Geometrien, wobei längliche Nanopartikel vorteilhaft zu sein scheinen. Ob die hochgesteckten Ziele auch erreicht werden können, werden die nächsten Jahre zeigen.

Hintergrund – Biosensoren und Oberflächenplasmonresonanz

Die entscheidenden Entwicklungen der SPR hin zum Biosensor fanden in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts statt. Definitionsgemäß besteht ein Biosensor aus einer biologischen Komponente, wie z.B. Enzymen, Antikörpern und DNA, und einem physikalischen Transducer (z.B. Elektroden, optische Bauteile, Halbleiterelemente), die fest miteinander verbunden sind (s. Abb. 3a). Ein Biosensor muss wiederverwendbar sein. Bei dem in Abbildung 3 gezeigten Schema erkennt die biologische Komponente spezifisch eine Substanz oder eine Stoffgruppe, wodurch ein biologisches Signal ausgelöst wird. Dieses wird dann von dem Transducer in ein elektrisches oder optisches Signal umgesetzt, das qualitativ und/oder quantitativ ausgewertet werden kann. Analyte, die nicht mit der biologischen Komponente interagieren, erzeugen auch kein Signal. Relativ große Probleme bereitet die feste Verbindung der biologischen Komponente mit der physikalischen, wozu ein so genannter „Spacer“ oder „Linker“ verwendet wird. Die Verbindung muss so stabil sein, dass auch Mehrfachmessungen möglich sind; jedoch darf weder die biologische noch die physikalische Komponente dabei beeinträchtigt werden. Rekombinante Proteine, die bereits geeignete Ankerstrukturen enthalten, haben sich hier als vorteilhaft erwiesen. Bei der Oberflächen-Plasmon-Resonanz wird das biologische Erkennungselement auf einer dünnen Goldschicht immobilisiert (s. Abb. 4). Diese befindet sich bei der so genannten „Kretschmann-Anordnung“ auf einem Prismenstumpf, welches in einem flachen Winkel mit einem polarisierten Laserstrahl ausgeleuchtet wird, sodass es an der Goldschicht zur Totalreflexion kommt. Unter bestimmten Bedingungen bildet sich innerhalb der Goldschicht ein so genanntes „Elektronen-Plasmon“ aus. Dadurch entsteht beim reflektierten Lichtstrahl eine Elektronenlücke, deren Winkel Theta durch optische Sensoren bestimmt werden kann. Der Winkel Theta ist wiederum von der Beladung der Goldoberfläche mit Biomolekülen bzw. vom Brechungsindex der Lösung oberhalb der Goldoberfläche abhängig. Es spielen aber nur die Moleküle eine Rolle, die sich dicht an der Goldoberfläche im so genannten „Evaneszenten Feld“ befinden. Dieses erstreckt sich über wenige 100 Nanometer.

*Prof. Dr. M. Keusgen, Philipps-Universität Marburg, Institut für Pharmazeutische Chemie, 35037 Marburg

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