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Chemische Spurensuche in den Bergen Suche nach dem Ursprung von Selen

Autor / Redakteur: Stephanie Schnydrig* / Christian Lüttmann |

Unser Körper braucht zahlreiche Nähr- und Mineralstoffe, um richtig zu funktionieren. Auch das Spurenelement Selen gehört dazu. Wie es über die Atmosphäre verteilt wird, haben nun Forscher der Eawag und ETH Zürich in der Schweiz untersucht. Die Erkenntnisse könnten langfristig helfen, eine Unterversorgung der Bevölkerung mit Selen zu vermeiden.

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Die Forschungsstation auf dem Jungfraujoch: Hier sammelten Forschende während zwei Jahren jede Woche das Regenwasser.
Die Forschungsstation auf dem Jungfraujoch: Hier sammelten Forschende während zwei Jahren jede Woche das Regenwasser.
(Bild: Jungfraujoch / Jungfraujoch / othree / CC BY 2.0 / BY 2.0)

Dübendorf, Zürich/Schweiz – Das Spurenelement Selen spielt eine wichtige Rolle im Immunsystem und dient dem Körper als Baustein für zahlreiche Proteine. Eine Mangelversorgung ist daher ungesund. Zwar enthalten tierische Produkte und vor allem Getreide viel Selen, in Pflanzen variiert der Selengehalt jedoch stark und ist davon abhängig, auf welchen Böden sie wachsen. Grundsätzlich gelten die Böden in Europa als eher arm an Selen, wie die Bundesverbraucherzentrale schreibt.

Um die lokale Verteilung von Selen in den Böden besser zu verstehen, haben Wissenschaftler der Eawag und ETH Zürich in der Schweiz neue chemisch-analytische Methoden entwickelt, die in Kombination mit atmosphärischen Modellen erstmals Annahmen über die Herkunft von Selen zulassen.

Ein Himmel voll Selen

Generell gilt: Ist der Boden trocken und kohlenstoffarm, liegt meist auch der Selengehalt niedrig. „Das alleine erklärt die unterschiedliche globale Verteilung von Selen aber nicht“, sagt die Biogeochemikerin Lenny Winkel, ETH-Professorin und Gruppenleiterin an der Eawag. In einer früheren Studie fand sie heraus, dass eine der Hauptquellen von Selen die Atmosphäre ist und die Verteilung mit den Niederschlagsmengen zusammenhängt. „Von woher das Selen in die Atmosphäre gelangt, ob vom Meer oder vom Kontinent, ist aber noch weitgehend unerforscht“, erklärt Winkel.

In einem vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Projekt versuchte die Biogeochemikerin den Ursprung des Selens auf dem europäischen Festland zu identifizieren. Dafür sammelte sie gemeinsam mit ihrem Team während zwei Jahren wöchentlich Regenproben auf dem Jungfraujoch im Berner Oberland sowie auf dem Pic du Midi in den Französischen Pyrenäen. An diesen abgeschiedenen Orten sollte die Zusammensetzung des Regens kaum durch lokale Quellen, etwa Fabriken, beeinflusst werden. Aber: „Die Analyse des Selens allein ließ keine Rückschlüsse auf dessen Herkunft zu“, sagt Winkel, die deshalb ein neues Vorgehen entwickelte.

Selenverteilung über die Jahreszeiten

In einem ersten Schritt ermittelte sie gemeinsam mit Klimawissenschaftlern der ETH Zürich um Heini Wernli, woher der wöchentliche Niederschlag größtenteils kam. Demnach stammt der Regen im Sommer vor allem vom eurasischen Kontinent, im Winter hingegen vom Atlantik. Gleichzeitig haben die Forschenden im Frühling, Sommer und Herbst eine relativ hohe Selenkonzentration gemessen, im Winter eine eher niedrige. In einem zweiten Schritt analysierten sie in den Regenproben die Bindungsformen von Selen, Iod, Schwefel und Brom sowie den Anteil des C-13-Isotops im Kohlenstoff.

Dank der Betrachtung all dieser Größen in Kombination mit den Wettermodellen lassen sich nun erstmals Aussagen über die Herkunft des atmosphärischen Selens treffen: „Es scheint, dass im Sommer die kontinentale Biomasse eine wichtige Quelle darstellt“, fasst Winkel zusammen. Das ist erstaunlich, da man bisher von marinen und vor allem anthropogenen Quellen ausging. „Für definitive Aussagen müsste das Regenwasser künftig aber in kürzeren Abständen beprobt werden anstatt nur einmal pro Woche“, betont die Expertin.

Forschungsexpedition nach Grönland geplant

Die Biogeochemikerin plant diesen Sommer in Zusammenarbeit mit einem Team um ETH-Forscher Wernli eine weiterführende Messkampagne entlang der Küste Grönlands. „Unsere Forschenden werden während zwei Monaten bei jedem Regenfall eine Probe sammeln. Zur gleichen Zeit werden die Klimaforscher berechnen, woher der Niederschlag kommt“, schildert Winkel. Ihr Ziel ist, einen chemischen Fingerabdruck in den Proben zu finden, der den Ursprung des Selens verrät.

Der Selenkreislauf wird die Forscherin also weiterhin beschäftigen. „Nur wenn wir die Prozesse genau verstehen, können wir Maßnahmen ergreifen, um den Selenmangel in gewissen Regionen zu bekämpfen“, betont Winkel die Bedeutung des Projekts.

Originalpublikation: Elke Suess, Franziska Aemisegger, Jeroen E. Sonke, Michael Sprenger, Heini Wernli and Lenny H. E. Winkel: Marine versus continental sources of iodine and selenium in rainfall at two European high-altitude locations. Environmental Science & Technology (2019); DOI: 10.1021/acs.est.8b05533.

* S. Schnyding, Eawag, 8600 Dübendorf

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