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Chemische Mikrolaboratorien Minilabore ermöglichen neue Einblicke

Redakteur: Dr. Ilka Ottleben

Miniaturisierung im Labor bringt zahlreiche Vorteile wie Geschwindigkeitsgewinn oder erhöhte Sensitivität. Prof. Dr. Detlev Belder vom Institut für analytische Chemie der Universität Leipzig beschreibt im LP-Exklusivinterview, warum das so ist und gibt einen Ausblick auf zukünftige Technologien und Projekte. Das Gespräch führte LP-Chefredakteur Marc Platthaus

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„Mikrostrukturierte Durchflussreaktoren ermöglichen alternative Syntheserouten.“ Prof. Dr. Detlev Belder, Institut für Analytische Chemie, Universität Leipzig
„Mikrostrukturierte Durchflussreaktoren ermöglichen alternative Syntheserouten.“ Prof. Dr. Detlev Belder, Institut für Analytische Chemie, Universität Leipzig
(Bild: privat, Detlev Belder)

LP: Herr Prof. Belder, mit einer Fördersumme von rund zwei Millionen Euro unterstützt die Deutsche Forschungsgesellschaft in den kommenden drei Jahren eine von der Universität Leipzig koordinierte Forschergruppe mit dem Titel „Integrierte chemische Mikrolaboratorien“. Worum geht es ganz allgemein bei der Chemie in miniaturisierten Systemen und welche Vorteile ergeben sich dadurch?

Prof. Dr. Detlev Belder: Der Erfolg der Miniaturisierung in der Mikroelektronik und deren Anwendung in der Kommunikationstechnik hat unser aller Leben verändert. Die Anwendung und Weiterentwicklung der entsprechenden Mikrosystemtechnik in der Chemie ist ein sehr spannendes Forschungsgebiet. Anstelle von gewöhnlichen Laborgeräten wie Reagenzgläser oder Glaskolben kommen hier chipbasierte Systeme (lab-on-a-chip) zum Einsatz, in denen chemische Prozesse in haarfeinen Kanälen oder Kavitäten ablaufen. Durch die Skalierung in den Mikrometerbereich können deutlich höhere Prozessgeschwindigkeiten erreicht werden und es lassen sich ganz unterschiedliche Funktionalitäten auf kleinstem Raum nahtlos miteinander verknüpfen. Neben minimalem Energie- und Ressourcenverbrauch, ist eine der faszinierendsten Perspektiven, Systeme zu erschaffen, welche die Funktion konventioneller Labore deutlich übertreffen. So können ganz neue Einblicke in chemische Prozesse ermöglicht werden.

LP: Niedriger Energie- und Ressourcenverbrauch sind sicher ein zentraler Vorteil für chipbasierte Minilabore. Gibt es noch weitere?

Prof. Belder: Zusätzliche Vorteile gibt es in der Tat. So sind solche Systeme extrem schnell. Wir erhalten beispielsweise chirale Trennungen in Subsekunden oder eine Elektrophorese-MS-Messung in unter einer Sekunde. Das Wort Mini impliziert außerdem auch eine entsprechende Kompaktheit, was zu einer extremen Mobilität führt. So können solche Geräte zum Beispiel als tragbare Analysen-Geräte in der Point-of-Care-Diagnostik oder am Flughafen zur Sprengstoffdetektion genutzt werden.

LP: Gibt es Applikationen, die nur in miniaturisierten Systemen durchführbar sind?

Prof. Belder: Prädestiniert sind solche Systeme immer dort, wo (bio)-chemische Prozesse in kleinsten Skalen beobachtet werden müssen, beispielsweise einzelne Zellen, Organismen oder geringste Katalysatormengen, wie wir es gerade in unseren aktuellen Arbeiten machen.

LP: In welchen Bereichen und Industrien werden solche Chiplaboratorien heute eingesetzt?

Prof. Belder: Bei Chiplaboratorien oder mikrofluidischen Systemen handelt es sich um eine noch vergleichsweise junge Technologie, die aber bereits erfolgreich im Bereich der Analysetechnik und Diagnostik kommerzialisiert wurde. Anwendungsfelder reichen vom DNA-Chip über die Chip-Chromatographie bis hin zur Massenspektrometrie. Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Mikroreaktionstechnik bei der chemische Transformationen in mikrostrukturierten Durchflussreaktoren ablaufen. Durch diese Technik werden alternative Syntheserouten zugänglich, da sich Parameter wie die Temperatur und auch die Verweilzeiten in solchen Systemen sehr genau kontrollieren lassen. Zudem gibt es sicherheitstechnische Vorteile bei der Prozessführung insbesondere zur Herstellung hochreaktiver Produkte. In der chemischen Verfahrenstechnik besteht der Trend, klassische Batchverfahren durch kontinuierlich arbeitende, „intelligente“ Systeme zu ersetzen. Für solche selbstoptimierenden Reaktoren ist ein nahtloses Verbinden von Synthese und analytischer Prozessüberwachung essenziell, wie es mit miniaturisierten Konzepten möglich ist. Auch zur Optimierung von chemischen Prozessen wie der Einsatz verschiedener Katalysatoren oder ein Lösungsmittelscreening ist die Durchführung in Mikrosystemen sowohl aus ökonomischer, als auch ökologischer Sicht vorteilhaft.

LP: Welchen Herausforderungen stellen Sie sich in den kommenden Jahren in Ihrer neuen Forschergruppe?

Prof. Belder: In den letzten Jahren wurden sowohl in der Mikroreaktionstechnik, als auch in der Miniaturisierung analytischer Methoden und Techniken viele beeindruckende Erfolge erzielt. Doch obwohl in jedem dieser Bereiche weltweit sehr aktiv geforscht wird, geschieht das weitestgehend unabhängig voneinander und die effiziente Verknüpfung steckt eigentlich immer noch in den Kinderschuhen. Dadurch kann das Potenzial integrierter Mikrosysteme in der Chemie bisher nicht annähernd ausgeschöpft werden. Das ist die zentrale Herausforderung, mit der wir uns nun in der Forschergruppeninitiative „Integrierte chemische Mikrolaboratorien“ beschäftigen. Hierzu hat sich ein interdisziplinär zusammengesetztes Team zusammengefunden, um einen Brückenschlag zwischen moderner Synthesechemie und chemischer Analytik in miniaturisierten Systemen zu schaffen. Durch Grundlagenforschung auf Basis der Lab-on-a-chip-Technologie im Bereich der Mikrodurchflusssynthese und der Integration analytischer Konzepte zur Charakterisierung chemischer Prozesse in Echtzeit wollen wir mit unserer Arbeit neue Wege in der modernen Chemie eröffnen.

Vielen Dank für das Gespräch Herr Prof. Belder.

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