Mehr oder weniger essen hält sich die Waage Schlägt Stress wirklich auf den Magen?
Termindruck, Überstunden, Kundenkritik: Unser Arbeitsalltag ist oft von Stress beherrscht. Mancher greift dann vermehrt beim Essen zu. Doch das ist nicht die Mehrheit: Tatsächlich essen ebenso viele Menschen bei Stress sogar weniger als gewöhnlich. Diese und andere interessante Einsichten in emotionales Essverhalten liefert eine neue Studie der Universität Salzburg.
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Salzburg/Österreich – Wie bestimmen Emotionen unser Essverhalten? Salzburger Psychologen bringen in einem bis 2020 laufenden großangelegten Forschungsprojekt ein überraschendes Ergebnis zutage: Die Zahl der Menschen, die bei Stress mehr essen, hält sich ungefähr die Waage mit der Zahl der Menschen, die bei Stress weniger essen. Dieses Studienresultat relativiert bisherige Erkenntnisse über das Frustessen. Auch die Idee der „Nervennahrung“ deckt offenbar nur einen kleinen Teil des komplexen Zusammenhangs zwischen Emotionen und Essverhalten ab.
Emotionales Essen
„Nichts ist wertvoller als ein guter Freund, außer ein Freund mit Schokolade“, hat Charles Dickens einmal gesagt. Manchmal genügt auch die Schokolade allein. Als Seelentröster oder Nervennahrung prädestiniert sind außerdem fast alle Arten von Snacks. Wir essen dann nicht aus Hunger, sondern zur Stress- und Emotionsregulation. Wissenschaftler sprechen in dem Zusammenhang von emotionalem Essen und definieren es als vermehrte Nahrungsaufnahme, um negative Emotionen und Stress zu reduzieren.
Genau dieser Aspekt stand bisher im Fokus der Forschung. Die Arbeitsgruppe um den Essstörungsforscher Jens Blechert vom Fachbereich Psychologie der Universität Salzburg hat das Studiendesign deutlich erweitert. Dazu haben die Forscher neue Fragebögen entwickelt, in denen zwischen Stress und verschiedenen negativen Emotionen (Traurigkeit, Ärger, Ängstlichkeit) sowie positiven Emotionen unterschieden wird. Außerdem erfassen sie nicht nur das „emotionale Überessen“, sondern auch das „emotionale Unteressen“. Die Resultate sind teilweise anders als erwartet, sagt Projektmitarbeiter Adrian Meule.
Zusammenhang von Stressessen und BMI?
„Unsere Ergebnisse zeigen konsistent, dass in etwa gleich viele Menschen berichten, bei Stress weniger zu essen, wie Menschen, die berichten, bei Stress mehr zu essen“, so der Forscher. „Viele berichten natürlich auch, dass sich ihre gegessene Nahrungsmenge durch Stress nicht ändert. Gleiches gilt für das Essen bei Fröhlichkeit. Bei Traurigkeit tendiert die Mehrheit dazu, mehr zu essen. Dass die meisten bei Ärger und Ängstlichkeit weniger essen, könnte mit der körperlichen Erregung zusammenhängen, sie unterdrückt den Appetit.“
Was aber führt dazu, dass manche Menschen bei Stress und anderen negativen Emotionen zum emotionalen Überessen tendieren und andere zum emotionalen Unteressen? Auffallend ist für die Forscher, dass diejenigen, die angeben, in schlechter Stimmung mehr zu essen, meist bereits einen höheren Body Mass Index (BMI) haben. Genau umgekehrt ist es bei positiven Emotionen. In guter Stimmung lassen es sich vor allem die Schlanken gut und ausgiebig schmecken.
„Insgesamt zeigen die Ergebnisse, wie wichtig es ist, zwischen verschiedenen Emotionen zu unterscheiden, wenn man deren Einfluss auf das Essverhalten untersuchen möchte. Die generelle Idee der „Nervennahrung“, das so genannte „comfort food“, deckt jedenfalls nur einen geringen Bruchteil des komplexen Zusammenhangs zwischen Emotionen und Essverhalten ab. Stress schlägt sich sehr unterschiedlich auf den Magen“, resümiert Meule.
Alltagsmessungen mit App in Echtzeit
Essverhaltens-Studien wurden bisher fast ausschließlich als Laborexperimente durchgeführt. Bilder, Filme, Musik oder Stress-Aufgaben dienten als Auslöser für die diversen Stimmungen der Probanden. Naturalistisch lässt sich so das Essverhalten aber nicht abbilden. Um die Aussagekraft der Studien zu erhöhen, kombinieren die Salzburger Psychologen die Laboruntersuchungen mit Alltagsmessungen mittels einer Smartphone-App, die das Essverhalten und Stresssituationen in Echtzeit erfasst. „Unser Ziel ist es, die verhängnisvolle Verbindung zwischen Essen und Emotion auflösen. Wir möchten individuelle Trainingsmethoden für Frustesser entwickeln“, sagt Jens Blechert.
Teilnehmerinnen für Studie gesucht
Ein Schritt in diese Richtung ist auch seine nächste Studie über Frustessen, Gewichtsprobleme, und Essanfälle, für die die Forscher noch Teilnehmerinnen suchen. Die Studie will die neuronalen Grundlagen dieser Schwierigkeiten herausfinden, also wie das Gehirn in bestimmten Situationen auf Nahrungsmittel reagiert. Laut einer Pressemeldung können Frauen zwischen 16 und 50 Jahren mit einem BMI ab 25 kg/m² mitmachen. Neben einer Fahrtkostenerstattung und 30 Euro Aufwandsentschädigung erhalten die Teilnehmerinnen eine individuelle detaillierte Rückmeldung ihrer Studienergebnisse. Alternativ können sie gratis an einem zweistündigen Gruppentraining „Stress-Essen reduzieren“ in Salzburg teilnehmen.
Mehr Informationen: www.essforschung.at
* Gabriele Pfeifer: Universität Salzburg, 5020 Salzburg/Österreich
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